EU hebt Warnung vor spanischen Gurken auf
Brüssel/Berlin (dpa) - Die EU-Kommission hat die europaweite Warnung vor spanischen Gurken im Zusammenhang mit dem lebensgefährlichen Darmkeim EHEC aufgehoben.
„Die jüngsten Ergebnisse haben gezeigt, dass das spanische Gemüse nicht verantwortlich für den Ausbruch von EHEC in Deutschland und anderen Mitgliedsstaaten ist“, hieß es am Mittwochabend in Brüssel. Neue Tests aus Deutschland und Spanien hätten ergeben, dass die aktuelle Darmseuche nicht von den auf einigen Gurken gefundenen Bakterien ausgelöst wurde. In Deutschland wird indes weiter dazu geraten, vorsichtshalber auf den Verzehr von rohem Gemüse zu verzichten.
In Brüssel rief EU-Gesundheitskommissar John Dalli Deutschland dazu auf, die Suche nach der Infektionsquelle zu verstärken. „Der anfängliche Verdacht Deutschlands, Gurken aus Spanien könnten schuld sein, hat sich bisher nicht bestätigt.“ Mehr Klarheit könne es aber erst geben, wenn die Ergebnisse der Boden-, Wasser- und Produktproben aus den spanischen Betrieben in Almeria und Malaga vorlägen.
Laut Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hätten Nachtests ergeben, dass von den anfangs vier bestätigten EHEC-Proben von Gurken aus Hamburg nur zwei mit dem Keim infiziert seien. Allerdings handele es sich dabei nicht um den dem Erregertyp O104, der für die derzeitige Seuche verantwortlich ist, hieß es in einer Erklärung vom späten Mittwochabend. „Es gilt weiterhin zu klären, an welcher Stelle in der Lebensmittelkette die Belastung mit Keimen erfolgt ist“, sagte BfR-Präsident Andreas Hensel.
Indes unterstrich der Präsident des Robert Koch-Instituts (RKI), Reinhard Burger, es gebe keinen Anlass für Entwarnung. Erst in einigen Tagen werde sich zeigen, ob die Warnungen vor rohem Gemüse die Infektionen gebremst haben. Auch das BfR empfahl, vorsorglich weiter auf rohe Tomaten, Salatgurken und Blattsalate zu verzichten.
In Schleswig-Holstein bereitet den Ärzten ein starker Anstieg neurologischer Komplikationen Sorgen. „Wir haben Patienten, die überhaupt keinen Durchfall haben, aber schwere neurologische Symptome“, schilderte der Kieler Klinikdirektor Prof. Ulrich Kunzendorf. Ein Beispiel seien etwa epileptische Anfälle.
Die Experten suchen weiter fieberhaft nach der EHEC-Quelle. „Man kann derzeit gar nichts ausschließen“, erklärte Verbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) im ZDF-Morgenmagazin. Eine Übertragung von Mensch zu Mensch sei sehr unwahrscheinlich, wenn man normale Hygieneregeln einhalte, sagte Prüfer-Storcks. Laut RKI-Präsident Burger gibt es dagegen mittlerweile erste Hinweise, „dass eine Mensch-zu-Mensch-Übertragung erfolgen kann“.
Die Gemüse-Branche stimmt sich indes auf immer stärkere Entschädigungen und Kompensationen für Bauern ein. EU-Kommissar Dalli hält Entschädigungen generell für denkbar. Auch EU-Agrarkommissar Dacian Ciolos hat angekündigt, rechtliche Möglichkeiten für Kompensationen betroffener Landwirte auszuloten.
Nach Ansicht der Branche hat die neue Ungewissheit die Lage der Gemüsebauern verschärft. Der Bundesvereinigung der Erzeugerorganisationen Obst und Gemüse (BVEO) zufolge trägt die Kaufzurückhaltung - auch bei anderem Gemüse - zu Umsatzeinbußen von ungefähr vier Millionen Euro pro Tag bei.
Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Gerd Sonnleitner, forderte einen finanziellen Ausgleich von der Bundesregierung und der EU für die angeschlagenen Betriebe. „30 Millionen Euro Einbußen sind nicht verkraftbar“, sagte er der „Passauer Neuen Presse“ (Donnerstag). Viele Betriebe stünden wegen der Angst der Verbraucher vor dem EHEC-Erreger vor dem Ruin.