EU-Minister suchen nach gemeinsamer Linie zu Militäraktion
St. Petersburg (dpa) - Unmittelbar nach den ergebnislosen Beratungen beim G20-Gipfel suchen die EU-Außenminister nach einer gemeinsamen Haltung im Syrien-Konflikt. Die Ressortchefs der 28 Mitgliedsländer der Europäischen Union kommen dafür heute in der litauischen Hauptstadt Vilnius zusammen.
Nach Angaben von Diplomaten wollen die Minister ihren ebenfalls anwesenden US-Kollegen John Kerry bitten, vor einer endgültigen Entscheidung über einen Militäreinsatz den Bericht der UN-Chemiewaffeninspekteure abzuwarten.
Für die Europäische Union ist ein möglicher US-Angriff eine gewaltige politische Herausforderung. Mit den anstehenden Gesprächen in Vilnius hatte die Bundesregierung begründet, warum sie nicht zu den Unterzeichnern einer Erklärung gehörte, in der die USA und zehn andere Staaten nach dem G20-Treffen im russischen St. Petersburg dem syrischen Regime die Verantwortung für den Einsatz von Chemiewaffen zuwiesen. Der Bundesregierung liege „zuvorderst daran, eine gemeinsame EU-Haltung zu erreichen“, sagte ein Regierungssprecher am Freitag. „In Absprache mit dem Präsidenten des Europäischen Rates, Hermann Van Rompuy, hat die Bundeskanzlerin deswegen eine Vorfestlegung vermieden.“
Doch Deutschland war das einzige der in St. Petersburg anwesenden europäischen Länder, das die Erklärung nicht unterzeichnete. In dieser heißt es mit Blick auf den mutmaßlichen Giftgaseinsatz in dem Bürgerkriegsland weiter: „Wir fordern eine starke internationale Antwort auf diese schwere Verletzung weltweiter Regeln.“ Am festesten aus Europa steht Frankreich an der Seite der USA, Großbritannien und Deutschland sind deutlich zurückhaltender.
US-Präsident Barack Obama stand in St. Petersburg mit seinen Plänen für eine Militäraktion ohne UN-Mandat weitgehend isoliert da. Russlands Präsident Wladimir Putin - enger Verbündeter Syriens - warnte ihn vor dem Bruch des Völkerrechts. Auch Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping warnte vor einem Angriff und sagte nach chinesischen Angaben: „Eine politische Lösung ist der einzig richtige Ausweg aus der Syrienkrise - ein Militärschlag kann die Probleme nicht an der Wurzel packen.“ China hat wie Russland bislang alle Versuche im UN-Sicherheitsrat blockiert, spürbaren Druck auf Assad auszuüben.
Auch in einem persönlichen, etwa 30 Minuten langen Gespräch kamen sich Putin und Obama in der Syrien-Frage nicht näher. „Wir sind jeder bei seiner Meinung geblieben, aber es gibt einen Dialog“, sagte er. Auch Obama sprach danach von einer offenen konstruktiven Unterhaltung.
Dass Obama mit seiner Drohung an den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad ernstmachen könnte, lässt sich aus der Ankündigung einer Erklärung an die Nation am kommenden Dienstag ableiten. Er räumte in Russland ein, dass die G20-Staaten mehrheitlich ein Mandat des UN-Sicherheitsrates wünschten. Aber: „Es gibt eine Zeit, in der wir schwierige Entscheidungen treffen müssen.“ Nächste Woche könnte auch der Kongress in Washington - wie von Obama gewünscht - grünes Licht für einen Syrien-Angriff geben.
Trotz der Pläne für einen begrenzten Angriff will auch Obama ein Ende des Bürgerkrieges, bei dem inzwischen mehr als 100 000 Menschen gestorben sind, auf dem Verhandlungswege erreichen. An der geplanten Genfer Konferenz müsse auch Russland teilnehmen, sagte Obamas stellvertretender Sicherheitsberater Ben Rhodes. Hilfsorganisationen forderten die G20 auf, endlich eine politische Lösung für Syrien zu finden.
Immerhin wirtschaftspolitisch konnte die St. Petersburger Gipfelrunde Erfolge vorweisen. Für global operierende Großkonzerne wie Google und Apple soll es künftig schwerer werden, durch legale Geschäfte zwischen Tochterunternehmen im großen Stil Steuern zu sparen. Im Kampf gegen Steuerflucht privater Anleger wollen die G20-Staaten einen automatischen Austausch von Informationen über Geldgeschäfte.