Euro-Finanzchefs nehmen Griechenlands Reformen ins Visier
Brüssel/Athen (dpa) - Nach der Zustimmung des griechischen Parlaments zu einem neuen Sparpaket wollen die Finanzminister der Euro-Staaten heute die Reform- und Sparbemühungen überprüfen. Damit ist die Entscheidung verbunden, ob neue, milliardenschwere Hilfskredite an Griechenland fließen.
Die Hoffnungen, dass die Finanzchefs bereits bei dem Sondertreffen eine frühe Einigung erzielen, sind jedoch sowohl in Brüssel als auch in Athen gering. Diplomaten rechnen damit, dass sich die Verhandlungen noch bis zum regulären Treffen der Euro-Finanzminister am 24. Mai hinziehen werden.
Die Geldgeber hatten vom griechischen Regierungschef Alexis Tsipras gefordert, ein bereits vereinbartes Sparpaket mit einem Volumen von rund 5,4 Milliarden durchs Parlament zu bringen.
Das Parlament in Athen billigte am Sonntagabend nach einer zweitägigen Debatte ein Gesetzesbündel mit neuen Sparmaßnahmen. Alle 153 Abgeordneten der Regierungskoalition haben mit „Ja“ votiert. 143 Abgeordnete stimmten dagegen. Vier Abgeordnete waren abwesend, berichtete das Staatsradio. Das Parlament hat 300 Sitze. Damit sind weitere Rentenkürzungen und Steuererhöhungen gebilligt worden.
Aus Protest gegen neue Rentenkürzungen und eine Erhöhung der Einkommenssteuer demonstrierten in Athen Zehntausende vor dem Parlament. „Stoppt das Sparmaßnahmen-Fallbeil für unsere Renten“, hieß es auf Transparenten. Einige Hundert Randalierer warfen am Sonntagabend Brandflaschen auf die Polizei, die Beamten setzten Tränengas ein. Tausende ergriffen die Flucht, die Lage beruhigte sich wieder.
Tsipras warb eindringlich um Zustimmung zum neuen Sparprogramm für sein Land. Ohne Reformen werde das griechische Rentensystem zusammenbrechen, sagte er am Abend. „Das Rentensystem kann ohne eine weitreichende Reform nicht überleben“, warnte Tsipras.
Das Parlament billigte Rentenkürzungen, mit denen 1,8 Milliarden Euro gespart werden sollen. Zudem sollen weitere 1,8 Milliarden Euro durch Steuererhöhungen in die Staatskassen fließen. In den kommenden Wochen soll das Parlament auch über Erhöhungen der indirekten Steuern in Höhe von 1,8 Milliarden Euro entscheiden.
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sieht das Krisenland auf einem guten Weg. „Wir sind gerade bei der ersten Überprüfung des Programms, und die Ziele sind so gut wie erreicht“, sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Sonntag).
Vor allem der Internationale Währungsfonds (IWF) macht sich dafür stark, schnell über Schuldenerleichterungen zu verhandeln. Das Thema müsse „sofort auf den Tisch“, schrieb IWF-Chefin Christine Lagarde an die 19 Eurozonen-Länder. Vor allem der IWF fordert weitere Sparanstrengungen in einem Umfang von 3,6 Milliarden Euro.
Die Schritte sollen aber nur in die Tat umgesetzt werden, falls das Krisenland Budgetziele nicht erreicht. Das „Sparpaket auf Vorrat“ ist umstritten: Der IWF ordnet den griechischen Staat in einer weitaus prekäreren finanziellen Lage als die Europäer ein.
Die Europäer unterstützten die IWF-Forderung, denn sie wollen den Weltwährungsfonds beim dritten Hilfspaket in Höhe von bis zu 86 Milliarden Euro mit an Bord haben. Die Regierung in Athen sieht indes keine Chance, einen solchen Vorratsbeschluss durchs Parlament zu bekommen.
Der IWF verlangt zudem von der Eurozone unverzügliche Verhandlungen über Schuldenerleichterungen für Griechenland. Einen entsprechenden Brief von IWF-Chefin Christine Lagarde hatte am Freitag ein IWF-Sprecher in Washington bestätigt. „Ich kann bestätigen, dass es den Brief gibt“, sagt er der Deutschen Presse-Agentur.
Die Gespräche über weitere Haushaltseinsparungen in Griechenland in Höhe von drei Milliarden Euro seien fruchtlos. Die Vereinbarung mit der EU, mittel- und langfristig einen Haushaltsüberschuss (ohne Schuldendienst) von 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu erwirtschaften, sei unrealistisch. Dieses Ziel müsse auf 1,5 Prozent nach unten korrigiert werden.
„Machen wir uns nichts vor - dieses höhere Ziel wäre nicht nur sehr schwer zu erreichen, es wäre möglicherweise auch kontraproduktiv“, schrieb Lagarde. Um 3,5 Prozent zu erreichen, müsste Griechenland noch heftiger sparen.
FDP-Chef Christian Lindner forderte einen Euro-Austritt Griechenlands und einen Schuldenschnitt. Der „Bild“-Zeitung sagte Lindner: „Griechenland braucht einen finanzpolitischen Neustart ohne Euro. Dann aber mit einem Schuldenschnitt und mit zweckgebundenen EU-Hilfen.“ Die „neuerliche Hängepartie“ mache deutlich, „dass die Warnungen des Internationalen Währungsfonds endlich ernst genommen werden müssen“, sagte Lindner.