Euro-Rettungsschirm EFSF bekommt Bestnote „AAA“
Berlin/Luxemburg/Rom (dpa) - Der Euro scheint vorerst gerettet, Griechenland vor dem Kollaps bewahrt, doch nun wächst die Sorge um den Zustand Italiens. Der Präsident des Münchener ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn, warnte vor einer dramatischen Zuspitzung der wirtschaftlichen Lage in dem Land.
Auch der Ökonom Ansgar Belke schloss einen Kollaps Italiens nicht aus. Während die führenden Ratingagenturen die Top-Bonität des Euro-Rettungsfonds EFSF bestätigten, warnte der scheidende EZB-Präsident Jean-Claude Trichet in der „Bild am Sonntag“: „Die Krise ist nicht vorbei.“
Die 17 Staats- und Regierungschefs der Euroländer hatten auf dem Krisengipfel am Mittwoch ein Paket beschlossen, um die Schuldenkrise in den Griff zu bekommen. Dazu zählt ein 50-prozentiger Schuldenerlass für Griechenland. Wegen der unsicheren Lage anderer Sorgenkinder wie Italien wird die EFSF-Schlagkraft auf eine Billion Euro vervielfacht.
Zwar habe sich Italien zu weiteren Reformen bereiterklärt, dies werde die Märkte aber „nicht durchweg“ überzeugen, sagte Belke, Inhaber des Lehrstuhls für Makroökonomik an der Uni Duisburg-Essen, zu „Handelsblatt Online“. „Schließlich ist fraglich, ob eine mögliche neue Regierung in Italien den Selbstverpflichtungen der Berlusconi-Regierung überhaupt glaubwürdig nachkommen wird.“
Italiens Regierungschef Silvio Berlusconi machte in seinem Land derweil Schlagzeilen mit Euro-kritischen Äußerungen - die er nach Kritik korrigierte. „Es gibt einen Angriff auf den Euro, der als Währung niemanden überzeugt hat, weil er nicht die Währung eines Landes ist, sondern von vielen“, sagte Berlusconi nach einem Bericht des Mailänder „Corriere della Sera“ (Samstag).
Nach Kritik aus der linken Opposition erklärte Berlusconi, dies sei kein Angriff auf den Euro gewesen. Um den Euro vor spekulativen Angriffen zu bewahren, sei Italien dabei, große Opfer zu bringen. Das hochverschuldete Land bereitet nach zwei Sparpaketen neue wirtschaftliche Sanierungsmaßnahmen vor.
Sinn sagte der Tageszeitung „Die Welt“ (Samstag), trotz der angekündigten Reformen sei die Gefahr groß, dass Italien die Schulden nicht in den Griff bekomme. Außerdem kritisierte er den Beschluss, den EFSF mit einem Hebel auf eine Billion Euro auszuweiten. Dies bedeute unwägbare Lasten für den hiesigen Steuerzahler, warnte er. „Der Bundestag hat sich da in ein Wagnis hineingeredet, das er gar nicht überblickt.“
Belke sagte zu „Handelsblatt Online“, die neuen Instrumente zur Hebelung des Rettungsschirms seien eine Gefahr für Deutschlands Top-Bonität. Mit den auf dem EU-Gipfel beschlossenen Modellen steige das Verlustrisiko: Je weiter der Fonds ausgedehnt werde, desto größer sei das Risiko für die Länder, die für den EFSF garantieren. Deutschland beteiligt sich am EFSF mit Garantien von 211 Milliarden Euro.
Der Fonds, der Hilfen von bis zu 440 Milliarden Euro vergeben kann, behält die Bestnote „AAA“. Wie der EFSF in Luxemburg mitteilte, bewerteten sowohl Moody's als auch Standard & Poor's und Fitch den Fonds auf Basis der Beschlüsse des Gipfels mit „AAA“. Die Bestnote ist Voraussetzung dafür, dass der Fonds mit der größtmöglichen Schlagkraft arbeiten kann. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte in ihrer Regierungserklärung am Mittwoch von einem Schutzwall für den Euro gesprochen, der Ansteckungsgefahren für andere hochverschuldete Euro-Länder verhindern soll.
EFSF-Chef Klaus Regling betonte, die Bestätigung der höchsten Kreditwürdigkeit zeige „das Vertrauen in die Strategie der Euro-Zone, um die Finanzstabilität wieder herzustellen“.
ifo-Chef Sinn sagte der „Welt“, der Schuldenschnitt für Griechenland sei völlig unzureichend: „Mit dem Schuldenschnitt gelangen wir in Bezug auf die Höhe der Staatsverschuldung an den Punkt zurück, an dem die Griechenlandkrise angefangen hat. Es geht also wieder von vorne los.“
Merkel hatte nach den Worten des Chefunterhändlers der Banken, Charles Dallara, persönlich den Weg zum freiwilligen Schuldenschnitt für Griechenland freigemacht. „Die staatlichen Garantien, die im Gespräch waren, reichten uns nicht, um einem 50-Prozent-Abschlag zustimmen zu können“, sagte Dallara der „Welt am Sonntag“. „Daraufhin schaltete sich Angela Merkel ein und erhöhte die Garantien von 20 auf 30 Milliarden Euro. Das gab den Ausschlag.“ Mit diesen 30 Milliarden sollen Anleihen besichert werden, die die Banken für ihre bisherigen Griechenland-Papiere erhalten. Dafür sollen die Banken auf die Hälfte ihrer Forderungen verzichten. „Ich bin sehr optimistisch, dass sich mehr als 90 Prozent der Banken beteiligen.“
Die Gipfelbeschlüsse hatten dem weltweiten Börsenkarussell zunächst kräftig Schwung gegeben. Der Historiker Niall Ferguson zweifelte einen Erfolg des EU-Gipfels jedoch an. „Ich kann diese ganze Euphorie überhaupt nicht verstehen“, sagte er der „Welt am Sonntag“. „Schon in der kommenden Woche dürfte das alte Spiel wieder beginnen. Dann fällt den Investoren auf, dass Portugal ebenfalls schlecht dasteht, in Spanien die dramatisch hohe Arbeitslosenquote an Depressionszeiten erinnert und Italien politisch handlungsunfähig ist. Dann beginnt die hektische Rettungsdiplomatie von vorn.“