Ex-Ministerpräsident Platzeck: Haltung gegen Pegida zeigen

Potsdam (dpa) - Brandenburgs früherer Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) hat gemeinsam mit anderen DDR-Bürgerrechtlern zum Widerstand gegen die Anti-Islam-Bewegung Pegida aufgerufen. „Es geht auch um unsere Zukunft“, betonte Platzeck im Interview der Deutschen Presse-Agentur.

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Frage: Was ist der Beweggrund für den Aufruf „Gegen Ressentiment und Abschottung: Für die Werte von 1989!“?

Antwort: Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass Parolen keine Fakten ersetzen und dass man mit dumpfen Parolen die Zukunft total verbauen kann. Ich habe Angst, dass dies gerade geschieht. Nun wird oft gesagt, man müsse auch Verständnis zeigen für Sorgen und Ängste. Das mag ja stimmen. Aber man muss auch eine klare Haltung haben. Diese Haltung muss gerade auch in solchen Situationen deutlich werden wie der gegenwärtigen, und sie muss sich ganz klar mit Gesichtern verbinden.

Wichtig ist auch, dass ein Signal aus Ostdeutschland kommt. In manchen Kommentaren ist ja zu lesen, dass es sich bei Pegida vor allem um eine Bewegung aus Ostdeutschland handelt. Wir wollen mit unserem Aufruf deutlich machen, dass wir für eine ganz andere Weltsicht einstehen: Wahrhafte ostdeutsche Heimatliebe erweist sich heute im Ausmaß unserer Offenheit zur Welt - und ganz sicher auch in unserer Fähigkeit zur Solidarität mit hilfsbedürftigen Menschen. Das sind für uns die beiden Dinge, die Zukunft bedeuten - oder verbauen.

Frage: Was halten sie von der Symbolik, den Kölner Dom und das Brandenburger Tor während Demonstrationen der Anti-Islam-Bewegungen unbeleuchtet zu lassen?

Antwort: Ich habe mich darüber sehr gefreut. Die Signale vom Montag zeigen, dass die große Mehrheit der Menschen in Deutschland eine sehr klare Sicht auf die Welt und die Zukunft unserer Gesellschaft hat: Die Herzen sind eben nicht verschlossen! Wenn der Kölner Dompropst sagt, er wolle nicht, dass Bilder des Weltkulturerbes mit rückwärtsgewandten Parolen in Verbindung gebracht werden, dann ist dies ein wunderschöner Ansatz. Noch mehr hat mich natürlich gefreut, dass bei ganz widrigen Witterungsverhältnissen eine große Menge von Menschen auf die Straße gegangen ist und gezeigt hat: Das wollen wir nicht.

Frage: Was empfinden Sie, wenn Pegida-Demonstranten rufen „Wir sind das Volk“?

Antwort: Mir tut das weh. Ich will mich auch nicht damit abfinden. Ich glaube aber gar nicht, dass Pegida-Positionen tatsächlich mit der Meinung „des Volkes“ gleichgesetzt werden können. Insofern macht es mir sehr viel Mut, dass eine ganz breite gesellschaftliche Mehrheit jetzt aufsteht und sagt: Nein, wir sind das Volk — und wir sind anders! Wir lassen uns durch Engstirnigkeit und Intoleranz nicht unsere Zukunft verbauen.

Frage: Haben sie eine Erklärung dafür, warum die Bewegung vor allem in Dresden immer mehr Zulauf findet?

Antwort: Wir in Brandenburg haben uns in einer sehr schwierigen Situation bereits in den 90er Jahren der Herausforderung gestellt. Wir sind den Rechtsradikalen schon damals auf verschiedenen Ebenen sehr klar entgegengetreten. Ich glaube, dass unsere jahrelangen Bemühungen nicht fruchtlos waren. Es ist wahrscheinlich kein wirklicher Zufall, dass in Sachsen die NPD über viele Jahre sehr stark und auch im Landtag präsent war - und dass sie jetzt dort zum Zentrum einer solchen Bewegung geworden ist. Daraus kann man durchaus Schlüsse ziehen. Ich bin froh, dass wir in Brandenburg vielleicht in den Köpfen und Herzen erfolgreicher gewesen sind.

ZUR PERSON: Matthias Platzeck war von 2002 bis 2013 Ministerpräsident in Brandenburg. Die politischen Erfahrungen des 61-Jährigen reichen bis in die DDR-Volkskammer zurück. Dort engagierte sich der Diplom-Ingenieur und Ökologe zunächst bei den Grünen. 1995 trat er der SPD bei.