Experte: Kaum Propagandawirkung durch Breivik-Prozess
Bielefeld (dpa) - Die Attentate und Pamphlete des norwegischen Attentäters Anders Breivik finden in der rechten Szene Deutschlands nur begrenzten Widerhall, glaubt der Rechtsextremismusforscher Dierk Borstel.
„Breivik wird in der Szene schon wahrgenommen, allerdings sehr unterschiedlich“, sagte Borstel der Nachrichtenagentur dpa. „Wenn man sich die Internetforen anschaut, reicht das Spektrum von Zustimmung - nach dem Motto: Da hat endlich mal jemand angefangen, den Kampf ernst zu nehmen - bis zum Spott, dass er einfach nur ein Verrückter sei, der es auch noch auf norwegische, also weiße Kinder abgesehen habe.“
Allerdings sei zu befürchten, dass jetzt mancher prüfe, ob die Attentate vom 22. Juli 2011 ein Muster für eigene Taten sein könnten, sagte Borstel. „Hier sind wir dann beim Rechtsterrorismus und der Zwickauer Zelle.“ Der Zwickauer Neonazi-Zelle werden Morde an neun Kleinunternehmern türkischer und griechischer Herkunft sowie an einer Polizistin vorgeworfen.
„Für die meisten aus der Szene waren die 1500 Seiten von Breivik sicherlich zu viel“, sagte Borstel über das Manifest, das der Norweger kurz vor der Tat ins Internet gestellt hatte. „Aber die Grundideen wie Überfremdung, weißes Europa, Pan-Europa oder Kampf gegen Muslime werden auch hier wahrgenommen. Im Kern ist es ein klassischer Rassismus.“
„Dazu kommt die Esoterik-Variante mit den Tempelrittern. Das wird allgemein nicht ernst genommen, weil es so verrückt klingt“, warnte der Bielefelder Politologe. „Da unterschätzt man aber die Wirkung dieses mythologischen Überbaus auf die Szene sehr.“
Dennoch ist sich Borstel sicher: „Der Prozess wird nicht die Wirkung haben, die sich Breivik wünscht: Dass nämlich Europa aufsteht und sich mit ihm solidarisiert.“ Eine kleine Gruppe unter den Rechtsextremisten werde den Prozess sicherlich verfolgen. „Ich kann mir aber vorstellen, dass Breivik in seiner Übertreibung, seiner Gestik, seiner Uniform selbst diese Kleinstgruppe der Unterstützer verschrecken wird, wenn er so weiter macht“, sagte Borstel. „Es wird keine Welle der Solidarität für Breivik geben, die gilt uneingeschränkt den Opfern, Gott sei Dank.“