Hunderttausende ohne Strom Florida zittert vor Hurrikan „Matthew“
Miami (dpa) - Florida wacht auf, und „Matthew“ ist da. Wellen schlagen über die Ufer, Bäume knicken um. Reporter kämpfen gegen den Wind an.
Der Hurrikan schraubt sich nach und nach an der Südostküste der USA hinauf. Auf Land traf er bislang nicht. Seine Auswirkungen sind dennoch spürbar, Teile der Küste melden Windstärken von bis zu 160 Kilometern pro Stunde.
„Nur weil das Zentrum des Sturms auf offener See ist, heißt das nicht, dass man nicht trotzdem schwer getroffen wird“, sagt Richard Knabb, Direktor der Nationalen Hurrikan-Zentrums. „Es wird erstmal noch viel schlimmer werden, bevor es eine Chance auf Besserung gibt.“
Die Experten rechnen damit, dass das Zentrum in der Nacht zum Samstag (Ortszeit) entweder dicht an der Küste vorbeiziehen wird oder auch auf Land treffen könnte. Am Samstag soll der Sturm die Küsten Georgias und South Carolinas passieren.
Besonders hart könnte es die Stadt Jacksonville in Florida treffen. Der Wetterdienst spricht am Morgen eine Tornadowarnung für das Gebiet aus. Schon stellen sich die Einwohner auf das Schlimmste ein. Freiwillige füllen Sandsäcke auf.
Mit dramatischen Worten hatten die Gouverneure von Florida, Georgia, South Carolina und North Carolina die Einwohner der Küstengebiete beschworen, sich in Sicherheit zu bringen. Zu lebhaft sind vielen noch die Bilder in Erinnerung, als Hurrikan „Katrina“ 2005 die Golfküste traf und mehr als 1800 Menschen das Leben kostete - und auch die jüngsten schrecklichen Nachrichten aus Haiti, wo „Matthew“ Tod und Verwüstung gebracht hat.
In den USA sind rund zwei Millionen Menschen von Evakuierungsmaßnahmen betroffen. Aber die Verantwortlichen wissen, dass nicht alle dem Aufruf nachkommen. Schätzungen zufolge verweilen fünf Prozent der Bevölkerung in solchen Fällen in ihren Häusern, wie die „New York Times“ berichtet.
Deshalb mahnt Floridas Gouverneur Rick Scott gebetsmühlenartig vor katastrophalen Auswirkungen. Er spricht von einem sich nähernden „Monster“, warnt vor Toten.
Auch am Freitagmorgen tritt er vor die Presse, in schwarzer Fliegerjacke und Navy-Kappe, seine Miene ist ernst. 600 000 Haushalte sind da schon ohne Strom, 22 000 Menschen haben Schutz in Notunterkünften gesucht. Selbst an der Westküste herrschten Windgeschwindigkeiten bis zu 80 Kilometer pro Stunde.
„Wir haben erst die Hälfte hinter uns“, sagt Scott. „Das Schlimmste könnte noch kommen. Er warnt vor schweren Überflutungen in Jacksonville. Die Stadt liegt an einem Fluss, das macht die Lage besonders gefährlich.
Präsident Barack Obama trifft sich am Morgen erneut mit Vertretern der Katastrophenschutzbehörde FEMA. Auch seine Miene ist ernst, als er im Anschluss vor die Kameras tritt. „Erinnert Euch, wie es bei Hurrikan Sandy war“, sagt er. „Da haben die Leute auch gedacht, es sei nicht so schlimm und dann gab es massive Sturmfluten und viele Menschen waren stark betroffen.“
Manch Katastrophentourist hat da bereits eine lange Nacht hinter sich: Selbsternannte „Stormhunter“, also Sturmjäger, reisen ganz nah dran für besonders spektakuläre Bilder. Sie zeigen zerstörte Hausdächer, die in Cape Canaveral auf der Straße liegen.
Zuvor hatte der Wirbelsturm in Haiti schwere Schäden hinterlassen, besonders schlimm traf es den Südwesten des Karibikstaates. Die Kommunikation brach zusammen, eine Verbindungsbrücke stürzte ein. Es soll hunderte Tote gegeben haben. Fotos des Zivilschutzes zeigten, dass sich Wege in schlammige Bäche verwandelt hatten.
Rettungskräfte brachten Menschen teilweise huckepack in Sicherheit. Nicht alle Bewohner der Region hatten dem Evakuierungsbefehl der Regierung Folge geleistet, viele wohl aus Angst vor Plünderungen.