Flüchtlinge Flüchtlingskrise: Europas Grenzen immer undurchlässiger
Zagreb/Brüssel (dpa) - Die Flüchtlingskrise entwickelt sich zu einer immer größeren Belastungsprobe für Europa. Nach Deutschland und Österreich kündigte am Donnerstag auch Slowenien die Wiedereinführung von Grenzkontrollen an.
Die Staats- und Regierungschefs der EU-Länder kommen am nächsten Mittwoch zu einem Flüchtlings-Sondergipfel zusammen. Das teilte EU-Ratspräsident Donald Tusk mit.
Während die Menschen immer neue Fluchtrouten suchen, nahm in Deutschland der erste Verantwortliche seinen Hut. Der Präsident des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF), Manfred Schmidt, trat „aus persönlichen Gründen“ zurück. Er war in die Kritik geraten, nachdem sich bei seiner Behörde ein enormer Stau unbearbeiteter Asylanträgen gebildet hatte. Zehntausende von Neuankömmlingen konnten noch nicht einmal einen Antrag stellen.
Schmidt hatte Ende August in einem Interview eingeräumt, sein Amt habe den großen Andrang in diesem Sommer nicht vorausgesehen. Er sagte: „Wir haben zu spät angefangen, die Zeichen zu spät gesehen.“ Ein Nachfolger soll bald benannt werden.
Nach der Abriegelung der ungarischen Grenze drängten Tausende Flüchtlinge auf ihrem Weg nach Westen in das EU-Mitgliedsland Kroatien. Nachdem Ungarn am Dienstag die Grenze zu Serbien dichtgemacht hatte, trafen bis zum Donnerstag nach Angaben des kroatischen Innenministeriums 7300 Menschen ein. Das seien deutlich mehr, als von der Regierung erwartet worden sei, berichtete der Sender HRT in Zagreb unter Berufung auf das Rote Kreuz.
Kroatiens Gesundheitsminister Sinisa Varga rechnet mit weiteren 20 000 Flüchtlingen innerhalb der nächsten zwei Wochen. Zahlreiche Menschen wurden den Angaben zufolge von Bussen auf der serbischen Seite der Grenze abgesetzt. Sie überquerten diese dann zu Fuß.
Im ostkroatischen Grenzort Tovarnik kam es am Donnerstag zu Gedränge und Spannungen mit der Polizei. „Wir werden hier Zeugen einer humanitären Katastrophe“, erklärte Bozo Galic, der Vorsteher des ostkroatischen Bezirks Vukovar-Srijem.
Kroatiens Innenminister Ranko Ostojic hatte das Nachbarland Serbien zuvor aufgefordert, die Zahl der aus Mazedonien und Griechenland kommenden Flüchtlinge zu begrenzen. Kroatien erwäge andernfalls, seine Grenzpolitik zu ändern. Außenministerin Vesna Pusic warnte, ihr Land könne nicht so viele Flüchtlinge aufnehmen: „Wenn es Tausende sind, schaffen wir das, aber Zehntausende - dafür haben wir nicht die Kapazitäten.“
Nach Deutschland und Österreich kündigte auch Slowenien die Wiederaufnahme von Grenzkontrollen an. Die Slowenen wollten angesichts der hohen Flüchtlingszahlen insbesondere die Übergänge zu Ungarn überwachen, teilte die EU-Kommission mit. Nach einer ersten Überprüfung scheine der Schritt gerechtfertigt.
Als Ursache für die steigenden Flüchtlingszahlen in Slowenien gelten die vor einigen Tagen wiedereingeführten Grenzkontrollen zwischen Österreich und Ungarn. Asylsuchende aus Ländern wie Syrien versuchen seitdem verstärkt, über andere Wege nach Westeuropa zu gelangen.
Auch gegen die vorübergehende Wiedereinführung von Kontrollen in Deutschland und Österreich hatte die Kommission keine Einwände erhoben. Die Brüsseler Behörde muss informiert werden, weil Passkontrollen im Schengen-Raum eigentlich abgeschafft sind.
Mobile Einheiten der niederländischen Grenzpolizei kontrollierten am Donnerstag an Übergängen nach Deutschland vor allem Lastwagen und Kleinbusse. Es werde gezielt nach Menschenschmugglern gesucht, sagte ein Polizeisprecher im niederländischen Radio.
Am Wochenende hatte Deutschland vor allem an seiner südlichen Grenze Kontrollen wieder eingeführt. Österreich folgte dem Beispiel. Inzwischen hat die Bundespolizei auch an der Hauptverkehrsroute zwischen Deutschland und Tschechien Grenzkontrollen eingerichtet. „Die Lage in Serbien und Ungarn könnte dazu führen, dass vermehrt Schleuser auftauchen“, sagte ein Sprecher der Bundespolizei in Pirna. Am Übergang von Österreich nach Deutschland wurde der Zugverkehr zwischen Salzburg und München derweil bis auf weiteres eingestellt.
Der tschechische Ministerpräsident Bohuslav Sobotka mahnte angesichts der deutschen Kontrollen eine rasche Lösung der Flüchtlingskrise an. „Je eher wir die Kontrolle über die EU-Außengrenzen zurückgewinnen und die Flüchtlingsströme eindämmen, desto eher können diese Notmaßnahmen innerhalb Europas aufhören“, sagte der Sozialdemokrat.
Vor dem für kommenden Mittwoch geplanten EU-Sondergipfel ist bereits ein Krisentreffen der Innenminister angesetzt. Anfang der Woche hatten sich die EU-Innenminister zwar im Grundsatz auf die Verteilung zusätzlicher 120 000 Flüchtlinge in Europa geeinigt. Unklar blieb aber bisher, welches Land wie viele Menschen nimmt.
Die EU-Kommission will der Türkei unterdessen bis zu eine Milliarde Euro für die Aufnahme von Flüchtlingen zur Verfügung stellen. Durch eine Umschichtung von Mitteln könnte diese Summe erreicht werden, sagte der für Nachbarschaftspolitik zuständige EU-Kommissar Johannes Hahn. Derzeit hat die EU 469 Millionen Euro eingeplant, um die Türkei bei der Flüchtlingshilfe zu unterstützen. Hahn kritisierte, dass abgesehen von Deutschland und Italien noch kein Land in den Treuhandfonds für die Syrien-Krise eingezahlt habe.