Flüchtlingszahlen steigen - und die Rechten sind im Aufwind?
Berlin (dpa) - Ihre Parolen sind jetzt wieder häufiger zu hören. Rechte und rechtspopulistische Parteien machen überall in Europa Stimmung gegen Flüchtlinge. Der Vize-Präsident der EU-Kommission, Frans Timmermans, schlug unlängst Alarm: „Wenn wir nicht in der Lage sind, dieses Problem anzugehen, wenn wir keine dauerhaften Lösungen finden können, werden wir einen Anstieg der extremen Rechten auf dem europäischen Kontinent erleben“, sagte er mit Blick auf die Flüchtlingskrise.
In Österreich, wo derzeit viele Schutzsuchende ankommen, steht am Sonntag ein erster Stimmungstest an. Bei der Landtagswahl in Oberösterreich könnte die rechte Freiheitliche Partei (FPÖ) laut Meinungsumfragen kräftig zulegen.
Bescheren die Vorbehalte gegen Flüchtlinge in Teilen der Gesellschaft den Rechten zwischen Schweden und Italien neuen Zulauf? Demoskopen bescheinigen zumindest einigen von ihnen aktuell ein Hoch, wie eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur ergab. Ob das nun tatsächlich mit den gestiegenen Flüchtlingszahlen zusammenhängt, lässt sich nicht eindeutig sagen. Eine Auswahl:
In den NIEDERLANDEN stellte sich der Rechtspopulist Geert Wilders diese Woche in einer Parlamentsdebatte entschieden gegen die weitere Aufnahme von Flüchtlingen. Einer Umfrage des Instituts Maurice de Hond zufolge käme seine „Partei für die Freiheit“ derzeit auf knapp 30 Prozent der Stimmen - und wäre damit stärkste Kraft im Parlament. Bei der Wahl 2012 kam Wilders auf 10,1 Prozent.
Im Vergleich zur letzten Umfrage Anfang September kann seine Partei die Zahl ihrer Mandate um drei auf nunmehr 29 steigern. Damit liegt sie gleichauf mit der derzeitigen Koalition aus Rechtsliberalen und Sozialdemokraten.
Auch in FRANKREICH versucht die rechtsextreme Front National (FN) unter ihrer Chefin Marine Le Pen seit Wochen, das Thema für sich zu nutzen. „Raus aus Schengen“ und „Schließung der Grenzen“ sind als alte FN-Forderungen nun noch häufiger zu hören. In Erhebungen hat die FN daraus bisher keinen spürbaren Profit geschlagen, allerdings liegen die Rechtsextremen bei Befragungen ohnehin zumeist etwa gleichauf mit der konservativen Opposition und vor den regierenden Sozialisten.
In ITALIEN ist die fremdenfeindliche Lega Nord in Umfragen im Aufwind. Sie liegt landesweit derzeit bei etwa 15 Prozent. Bei der letzten Wahl auf nationaler Ebene, der Wahl zum Europäischen Parlament im Mai 2014, kam sie noch auf bescheidene 6,2 Prozent. Aber schon bei den Wahlen in 7 der 20 italienischen Regionen am 31. Mai dieses Jahres schnitt die Lega gut ab.
In DÄNEMARK stehen alle drei großen Parteien - Sozialdemokraten, Rechtspopulisten und die in der Minderheit allein regierenden Liberalen - hinter einer restriktiven Flüchtlingspolitik. Mit dem Versprechen, den Einwanderungsstrom zu bremsen und das Land weniger attraktiv für Flüchtlinge zu machen, hatten sie vor der Parlamentswahl im Juni Wahlkampf gemacht. Die Dänische Volkspartei (DF), die einen kompletten Asylstopp fordert, war danach bei der Wahl zur größten bürgerlichen Partei aufgestiegen. Die Beliebtheitswerte sind seitdem relativ stabil geblieben.
Im Nachbarland Schweden hat die Flüchtlingsdebatte den ohnehin starken rechtspopulistischen Schwedendemokraten in den vergangenen Monaten gestiegene Beliebtheitswerte beschert. Nach der jüngsten Meinungsumfrage im September verharren sie nach Sozialdemokraten und Konservativen mit 17,7 Prozent als drittstärkste Partei auf hohem Niveau.
In GROßBRITANNIEN profitieren parteiübergreifend die EU-Kritiker, die mehr Kontrolle über die eigenen Grenzen wollen, obwohl das Land kein Teil des Schengen-Raums ist. Bei der Parlamentswahl im Mai hatte die rechtspopulistische Unabhängigkeitspartei Ukip um Nigel Farage zwar nur einen Sitz, aber fast 13 Prozent der Stimmen geholt. Nach Stimmen war sie damit drittstärkste Kraft. Eine repräsentative ComRes-Umfrage der vergangenen Woche sah die EU-Gegner der Ukip weiter bei 13 Prozent, YouGov sah die Partei zeitgleich sogar bei 16 Prozent.
In UNGARN, das mit seinem harten Vorgehen gegen Flüchtlinge europaweit massiv in die Kritik geriet, büßt die Regierungspartei Fidesz unter Ministerpräsident Victor Orban nichts an ihrer Beliebtheit ein. Im Gegenteil: Wären am nächsten Sonntag Wahlen, würde sie einer jüngsten Umfrage zufolge 41 Prozent der Stimmen holen. Im vergangenen Juni war sie auf nur 38 Prozent gekommen. Nach Angaben des Meinungsforschungsinstituts Ipsos gelang es der Regierungspartei vor allem, bisher unentschlossene Wähler anzusprechen. Deren Anteil ging von 44 Prozent im Juni auf nunmehr 38 Prozent zurück. Die rechtsextreme Jobbik-Partei würde demnach derzeit 26 Prozent der Stimmen (Juni: 28 Prozent) auf sich vereinen.