Fragen und Antworten: Die EZB in der Griechenland-Krise

Frankfurt/Main (dpa) - Europas Währungshüter sind in der Zwickmühle: Streng genommen müsste die Europäische Zentralbank (EZB) Notkrediten an Griechenlands Banken einen Riegel vorschieben. Denn das Geld fließt nach Überzeugung von immer mehr Experten im Grunde in ein Fass ohne Boden, marode Banken würden so künstlich am Leben gehalten.

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Doch würde der EZB-Rat um Notenbankpräsident Mario Draghi diesen Geldhahn auch noch zudrehen, droht eine Pleitewelle in Griechenland. Noch fließen die Notkredite, allerdings verschärfte der EZB-Rat am Montagabend die Bedingungen.

Was hat die EZB bisher zur Unterstützung Griechenlands getan?

Schon als sich die Lage im Frühjahr 2010 erstmals zuspitzte, beschloss die EZB den Kauf von Staatsanleihen. Ende vergangenen Jahres hielt die EZB aus diesem SMP-Programm noch griechische Papiere im Wert von 18,1 Milliarden Euro. Auch der extrem niedrige Leitzins im Euroraum - inzwischen liegt er bei 0,05 Prozent - soll die Konjunktur ankurbeln. Zudem stellen Europas Zentralbanken nach letzten veröffentlichten Zahlen den Hellas-Banken aktuell 118 Milliarden Euro zur Verfügung, damit diese die griechische Wirtschaft finanzieren können. Das sei mehr als doppelt so viel wie Ende 2014, hatte Draghi Mitte Juni im Europaparlament gesagt: „Aktuell liegt die Liquiditätshilfe bei etwa 66 Prozent der griechischen Wirtschaftsleistung und damit so hoch wie sonst nirgends in der Eurozone.“

Woher bekommen die griechischen Banken aktuell frisches Geld?

Seit Monaten sind die Banken des hoch verschuldeten Landes vor allem auf Ela-Notkredite („Emergency Liquidity Assistance“/Ela) angewiesen. Diese sind eigentlich als vorübergehende Unterstützung im Grunde gesunder Banken gedacht. Mittlerweile sei Ela aber „zur einzigen Finanzierungsquelle der Banken geworden“, sagte Bundesbank-Präsident Jens Weidmann. Das nähre Zweifel, ob die Institute grundsätzlich überhaupt noch zahlungsfähig seien - eine Voraussetzung für die Gewährung der Ela-Hilfen über die griechische Nationalbank. Am Montagabend beschloss der EZB-Rat, die Notkredite auf dem aktuellen Stand von knapp 90 Milliarden Euro zu belassen. Allerdings müssen die Banken künftig mehr Sicherheiten für die gleiche Kreditsumme hinterlegen als zuvor.

Kann die EZB die Notkredite nicht einfach stoppen?

Dafür bräuchte es im EZB-Rat eine Zwei-Drittel-Mehrheit. Der Widerstand gegen die Notkredite, die nur mit Billigung des EZB-Rates fließen dürfen, wächst. Stoppt das Gremium die Ela-Hilfen, müssten die griechischen Banken die gewährten Milliarden zurückzahlen. Dann wäre der Zusammenbruch des griechischen Finanzsystems nach Einschätzung von Volkswirten nicht mehr zu verhindern.

Warum lässt die EZB Ela weiterlaufen, obwohl die Kritik wächst?

Die de jure unabhängige Notenbank will in dem seit Monaten ungelösten Schuldenstreit nicht das Zünglein an der Waage sein. „Sie will als Institution ohne direkte demokratische Legitimation nicht den Stecker ziehen“, schreiben die Ökonomen von Sal. Oppenheim. Die EZB sei zum „Entscheidungskatalysator wider Willen“ geworden: „Seit einiger Zeit dehnt sie ihr Mandat, indem sie die Notfallversorgung der griechischen Banken aufrechterhält. Wenn sie ihre Reputation nicht nachhaltig gefährden will, kann sie ein weiteres Verbiegen nicht zulassen. Nur solange es noch eine Aussicht - wie gering auch immer - auf eine politische Lösung der Griechenlandkrise gibt, kann sie die Notversorgung gewähren“, heißt es in dieser Analyse. Die Volkswirte des Bankhauses Metzler meinen, die EZB werde „immer mehr zum entscheidenden Akteur und damit auch zum Politikum“.

Warum sind die Notkredite eigentlich so umstritten?

Kritiker wenden ein, die Notenbank finanziere auf diesem Weg indirekt den griechischen Staat, was ihr verboten ist. Die Bundesbank hat schon vor Wochen darauf hingewiesen, dass Griechenlands Banken mit den Ela-Krediten zum Großteil neue Staatspapiere mit kurzfristiger Laufzeit (T-Bills) kaufen. Viele Volkswirte betonen: Ohne Ela wären die Hellas-Banken längst pleite. Europas oberste Bankenabwicklerin Elke König sagte Mitte Juni dem „Handelsblatt“: „Für die griechischen Banken ist der Zugang zum Markt nun schon lange geschlossen. Die Grenze zwischen Ela und Konkursverschleppung ist fließend.“ Viele Experten halten es für problematisch, dass die EZB zugleich für die Aufsicht über die führenden griechischen Banken zuständig ist.

Wie lange kann das mit den Ela-Notkrediten noch weitergehen?

Die überwiegende Meinung der Beobachter ist, dass die EZB den Poker mitmachen wird, solange es den Hauch einer Chance auf eine politische Lösung der Geldgeber mit der Regierung von Alexis Tsipras gibt. Doch die Stunde der Wahrheit naht: Am 20. Juli muss Griechenland 3,5 Milliarden Euro Staatsanleihen tilgen, die von der EZB gehalten werden. Ohne frische Milliarden dürfte auch dieser Termin ohne Zahlung aus Athen verstreichen. Dann wäre die Notenbank direkt betroffen und es ginge bei der Frage einer weiteren Gewährung von Ela-Krediten auch um den Ruf der unabhängigen Zentralbank.

Sollte Athen die 3,5 Milliarden Euro nicht tilgen, wäre dies „tatsächlich der Fall eines Staatsbankrotts“, sagte der österreichische Notenbankchef Ewald Nowotny am Montagabend in einer ORF-Sendung. „In dieser Situation würde es für die EZB nicht mehr möglich sein, weitere Liquidität bereitzustellen.“ Die EZB müsste dann aus seiner Sicht die Ela-Kredite formal fällig stellen - wenn auch mit gewissen Zeiträumen für die Rückzahlung.

Francis Yared von der Deutschen Bank sieht auch für den 20. Juli noch ein Hintertürchen: Sollten die Griechen nicht zahlen, könnte die EZB ihnen eine 30-tägige Gnadenfrist für die Tilgung einräumen - und hätte damit auch selbst wieder Spielraum für weitere Entscheidungen.

Wie könnte die EZB Griechenland noch unterstützen?

EZB-Ratsmitglied Nowotny brachte eine Brückenfinanzierung ins Spiel: „Unter bestimmten Voraussetzungen kann auch die EZB Liquidität geben, wenn das entsprechend den Regeln möglich ist.“ Es sei zu diskutieren, ob man nicht auf dem Weg zu neuen Hilfen des Rettungsfonds ESM „eine Art Vorgriff machen kann als Brückenprogramm“.

In der Hinterhand hat die Notenbank ihr bisher nie genutztes OMT-Programm („Outright Monetary Transactions“/OMT) aus dem Sommer 2012. Damals entschied der EZB-Rat gegen Widerstände aus den eigenen Reihen, die Zentralbank werde notfalls unbegrenzt Staatsanleihen einzelner Euroländer kaufen, um den Euro zu retten. Allerdings hat sich die EZB für dieses Programm selbst Bedingungen auferlegt - unter anderem die, dass die EZB im Rahmen von OMT nur tätig wird, wenn das betroffene Land unter einen Euro-Rettungsschirm (EFSF/ESM) geschlüpft ist und strenge Reformvorgaben erfüllen muss. Das ist bei Griechenland nach Auslaufen des bisherigen Rettungsprogramms Ende Juni derzeit nicht der Fall. Immerhin gab der Europäische Gerichtshof (EuGH) Mitte Juni dieses Jahres grünes Licht für das OMT-Programm.