Fragen und Antworten: „Erfolg schützt nicht vor Depressionen“
Hamburg (dpa) - Er war einer von vielen Betroffenen: Oscar-Preisträger Robin Williams litt an Depressionen. Jetzt hat sich der 63-Jährige nach bisherigen Erkenntnissen der Behörden das Leben genommen.
Wie passt das zusammen: Der ruhmreiche Star, der „lustigste Mensch der Welt“ - und eine solche psychische Erkrankung?
Robin Williams war erfolgreich, berühmt, preisgekrönt. Manche mögen sich daher wundern: Ausgerechnet er hatte Depressionen?
„Es ist eine Krankheit, die jeden treffen kann“, sagt der Vorsitzende der Stiftung Deutsche Depressionshilfe, Prof. Ulrich Hegerl. Den Erfolgreichen, den Arbeitslosen, den Künstler, den Handwerker, den Prominenten. „Dass man Erfolg hat oder eine nette Familie, das schützt nicht vor Depressionen.“ Eine große Rolle für das Risiko, an Depressionen zu erkranken, spielt die genetische Veranlagung. Eine Veranlagung für die Krankheit kann aber auch erworben werden, etwa durch Missbrauchserfahrungen oder Traumata in der Kindheit.
Robin Williams galt als der „lustigste Mensch der Welt“. Wie schafft man es, trotz Depressionen als Komiker aufzutreten?
In jemandem, der nach außen komisch und fröhlich wirkt, könne sich viel Traurigkeit verbergen, sagt Hegerl. „Das Bild des traurigen Clowns ist ja uralt.“ Nach Ansicht des Göttinger Psychiatrie-Professors Borwin Bandelow gibt es noch einen weiteren Aspekt: Bei Stars finde man häufig eine sogenannte emotional-instabile Persönlichkeitsstörung. „Sie prädestiniert dazu, dass man süchtig wird - und ein berühmter Star.“
Was genau kennzeichnet dieses Persönlichkeitsmuster?
Eine solche Persönlichkeitsstörung - auch als Borderline-Störung bekannt - sei verbunden mit Ängsten, extremen Stimmungsschwankungen, Leergefühlen und auch Suizidgedanken, erklärt Bandelow. Es handele sich meist um Menschen, die zu wenig Endorphine hätten. Endorphine gelten unter anderem als Schmerzstiller. Mit Suchtmitteln wie Alkohol oder Kokain könnten die Betroffenen ihr Level an Endorphinen nach oben schrauben - oder aber durch Applaus, wenn sie auf der Bühne stehen. Ihre oft übertriebene Suche nach Anerkennung gebe ihnen aber auch Energie, an sich zu arbeiten und die Konkurrenz auszustechen. Auch Williams habe jahrzehntelang gegen seine Alkohol- und Kokainsucht angekämpft, sagt Bandelow.
Wie häufig kommen Depressionen denn vor?
Etwa fünf Prozent der Menschen in Deutschland sind laut Hegerl betroffen. „Es ist eine extrem häufige Erkrankung.“ Depressionen seien schon immer so oft vorgekommen, der Umgang damit sei allerdings heute viel offener. So seien vor 30 Jahren acht Prozent der Frühverrentungen auf psychische Erkrankungen - vor allem Depressionen - zurückzuführen gewesen, inzwischen seien es 42 Prozent. Im gleichen Zeitraum habe sich die Suizidrate von 18 000 pro Jahr auf weniger als 10 000 reduziert, vermutlich weil sich mehr Betroffene Hilfe holen.
Hat auch der Selbstmord des Torwarts Robert Enke vor fast fünf Jahren den Umgang mit Depressionen verändert?
Enkes Suizid löste damals eine breite Diskussion über psychische Erkrankungen aus. An seinem Fall habe man sehen können, dass Erfolg nicht vor Depressionen schützt, betont Hegerl. Und auch, dass die Krankheit lebensgefährlich ist.
Was sind Symptome einer Depression?
Zu den Diagnosekriterien zählen etwa die Unfähigkeit, Freude zu empfinden, Hoffnungslosigkeit, Erschöpfungsgefühle, eine gedrückte Stimmung und Schlafstörungen. „Die Leute liegen in den frühen Morgenstunden grübelnd im Bett“, sagt Hegerl. Viele neigten zudem zu Schuldgefühlen - und sähen schließlich als einzigen Ausweg, sich selbst etwas anzutun.
Wie wird eine Depression in der Regel behandelt?
Bei schweren Depressionen verschreiben Ärzte den Patienten zunächst Antidepressiva, wie Hegerl erklärt. Die zweite wichtige Säule der Behandlung ist die Psychotherapie. Die Medikamente machten nicht abhängig, betont der Psychiatrie-Professor. Ein Problem sei eher, dass sie nicht sofort wirken, sondern erst nach einigen Wochen.
Wie können Angehörige Betroffene unterstützen?
Nach Hegerls Ansicht sollten sich Angehörige und Betroffene gründlich über die Erkrankung informieren, um verändertes Verhalten und Erleben besser einordnen zu können. Angehörige könnten den Patienten zudem Mut machen, sich behandeln zu lassen und die Behandlung konsequent durchzuziehen. Hegerl empfiehlt zudem den Erfahrungsaustausch mit anderen Betroffenen, etwa über das Diskussionsforum der Stiftung Deutsche Depressionshilfe. Aber trotzdem müsse klar sein: „Auch der liebevollste Partner kann keine Depression zum Abklingen bringen.“