Fragen und Antworten: Ursachen für „Sandy“
Berlin (dpa) - Ist Wirbelsturm „Sandy“ durch den Klimawandel sozusagen hausgemacht? Wissenschaftler sind sich in dieser Frage nicht einig. Dass dieser Sturm etwas besonderes war, steht für viele Forscher aber fest.
Fragen und Antworten:
Was ist an „Sandy“ ungewöhnlich und besonders?
Schon allein die Größe ist ungewöhnlich. „Er hat die unglaubliche horizontale Ausdehnung von 1500 Kilometern. Das ist doppelt so viel wie bei einem normalen Hurrikan“, erläutert Mojib Latif vom Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung. Deshalb seien auch so weite Teil der amerikanischen Ostküste in Mitleidenschaft gezogen worden. Dazu kämen aber noch zwei weitere Wetterextreme: „Das Hoch aus dem Norden hatte extreme Kaltluft im Gepäck. Zusammen hat das zu dieser Katastrophe geführt.“ Klimatologe Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung findet einen Tropensturm, der vor der US-Ostküste nach Nordosten zieht, dann in Richtung Westen abbiegt und die Küste trifft, sehr ungewöhnlich. Grund sei eine Blockade durch ein massives Hoch über Grönland.
War Sandy in dieser Mischung ein Ausreißer, oder muss man jetzt häufiger mit solchen Extremen rechnen?
Klimaforscher Latif hält „Sandy“ für ein Einzelereignis. „Hier treffen einige Umstände zusammenkamen, die sonst nicht aufeinandertreffen. Das ist eine Laune der Natur“, sagt er. Rahmstorf sieht das etwas kritischer. Eine Reihe von Studien habe gezeigt, dass eine geringe Eisausdehnung in der Arktis eine Hochdrucklage über Grönland im folgenden Herbst und Winter begünstige, argumentiert er. „Ein Zusammenhang zwischen dem diesjährigen Rekordminimum im arktischen Eis und dem seltsamen Pfad dieses Sturms ist dadurch zwar noch lange nicht belegt. Aber eben auch nicht völlig unbegründet.“ Entschiedener argumentiert Karl Schellmann vom Umweltschutzverband WWF: „Nach den Berechnungen der Klimawissenschaft werden wir uns darauf einstellen müssen, dass Wetterextreme wie Sandy zukünftig die Regel und nicht mehr die Ausnahme sein werden.“
Gibt es also einen direkten Zusammenhang mit dem Klimawandel?
Klimaforscher Latif formuliert das vorsichtig: „Es könnte einen Zusammenhang geben. Aber das war ein einzelner Sturm, die langfristige Entwicklung müssen wir abwarten.“ Man dürfe nicht vergessen, dass es starke natürliche Schwankungen gebe, auch beim Golfstrom. Wesentlich klarer ist für Forscher ein Zusammenhang mit dem Meeresspiegel. „In dem Maße wie der Meeresspiegel steigt, werden die Auswirkungen solcher Hurrikans stärker“, sagt Latif. Für Klimaforscher Rahmstorf bedeutet der Meeresspiegel-Anstieg - bisher um 20 Zentimeter in rund 100 Jahren - ein deutlich höheres Sturmflut-Risiko. Viele Wissenschaftler sind sich einig, dass der Mensch durch die globale Erwärmung eine Mitschuld trägt. „Wenn die Erde dermaßen über fossile Brennstoffe mit Kohlendioxid aufgeladen wird, ist das so wie das Dopen eines Sportlers, der dadurch immer stärker wird“, sagt WWF-Klimaexperte Schellmann.
Haben sich die Hurrikan-Saison und ihre Routen verändert?
Nein, sagt Klimaforscher Latif. Die Hurrikan-Saison fange im Juni an und gehe bis Ende November. „Aber wenn man sich die letzten Jahrzehnte ansieht, kann man schon eine leichte Häufung der Hurrikans feststellen, insbesondere der schweren.“ Hurrikans haben zwei bevorzugte Zugbahnen. Die eine führt von der Karibik in den Golf von Mexiko. Dann ist meist der Süden der USA betroffen. Oder sie ziehen weiter nördlich. Die amerikanische Ostküste ist dann nur betroffen, wenn der Hurrikan an Land geht. „Das ist nichts Außergewöhnliches“, urteilt Latif. „Wir müssen aber sehen, ob sich das erwärmte Wasser immer weiter nach Norden bewegt. Dann würde eine Tendenz bestehen, dass die Hurrikans auch öfter nach Norden ziehen.“
Müssen sich Küstenmetropolen wie New York stärker wappnen?
„New York muss sich ohnehin wappnen. Das ist ja nicht der erste Hurrikan, der die Stadt getroffen hat“, sagt Latif. Und dies sei nur ein schwacher Hurrikan gewesen - mit etwa 120 - teils 140 - Kilometern Windgeschwindigkeit pro Stunde. Für Klimatologen ist das die geringste Stärke 1. „Hurrikans können bis zur Stufe fünf anwachsen. Das hat dann noch viel verheerendere Folgen“, sagt Latif.