Fragen und Antworten zur Entwicklung in der Schuldenkrise
Berlin (dpa) - Wenige Stunden vor Ablauf des aktuellen Hilfsprogramms Dienstagnacht hat der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras die Euro-Partner überraschend um ein drittes Rettungspaket mit einer Laufzeit von zwei Jahren gebeten.
Die angestrebte Vereinbarung sollte aus Sicht Athens alle finanziellen Bedürfnisse mit Hilfen aus dem Euro-Rettungsfonds ESM sowie eine Restrukturierung der griechischen Schulden abdecken. Die Rede ist von Finanzhilfen von gut 29 Milliarden Euro:
Ist der Vorstoß aus Athen der Weg zur Last-Minute-Einigung?
Wohl kaum. Denn die Geldgeber und die Euro-Partner haben unmissverständlich klar gemacht: Das aktuelle Hilfsprogramm läuft am 30. Juni, um 24.00 Uhr MESZ aus. Damit verfallen auch die bisher blockierten Hilfen der Europäer von rund 18 Milliarden Euro. Auch der Internationale Währungsfonds (IWF), dessen Hilfsprogramm bis Ende März 2016 läuft, dürfte seine restlichen Hilfen von immerhin noch 17 Milliarden Euro vorerst auf Eis legen. Zumal Athen die am 30. Juni fällige Rückzahlung eines IWF-Kredits nicht leisten wollte.
Wird es bis Sonntag also keine Lösung geben?
Es ist nicht anzunehmen, dass die Geldgeber vor der für diesen Sonntag angesetzten Volksabstimmung aktiv werden. Zunächst dürfte das Referendum am Sonntag abgewartet werden, in dem die Griechen eigentlich über das letzte, inzwischen hinfällige Angebot der Geldgeber aus EU-Kommission, IWF und Europäischer Zentralbank (EZB) abstimmen sollen. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) stellte umgehend klar: Vor einem Referendum werde Deutschland nicht über den neuen Antrag Griechenlands auf ein drittes Hilfspaket beraten.
Aber der Eurogruppenchef hat doch zu Beratungen geladen?
Ja. Er bat die Euro-Finanzminister kurzfristig für Dienstagabend, 19.00 Uhr, zu einer Sonder-Telefonkonferenz. Aber das muss er angesichts der neuerlichen Überraschung tun, damit sich die Euro-Partner abstimmen. Womöglich wird auch Athens Ressortchef Gianis Varoufakis, der beim letzten Treffen in Brüssel nicht mehr mit am Tisch saß, den Kollegen erklären, was der Vorstoß bedeutet.
Könnte das letzte Angebot der Geldgeber eine Grundlage sein?
Theoretisch schon. Zumal sich beide Seiten angenähert hatten - bis zum abrupten Abbruch der Verhandlungen durch Athen. Die Tsipras-Regierung lehnt das nachgebesserte Angebot ab. Sie empfahl der Bevölkerung auch, mit „Nein“ zu stimmen. In der neuesten Erklärung aus dem Tsipras-Büro mit der Bitte um ein drittes Hilfspaket heißt es denn auch ergänzend. „Dies ist eine Botschaft für ein „Nein“ zu einem schlechten Deal bei dem Referendum am Sonntag.“
Kann es ein drittes Hilfsprogramm für Griechenland geben?
Ja. Jedes Euro-Land kann ein Hilfsprogramm aus dem dauerhaften Rettungsfonds ESM beantragen. Auch EU-Ratspräsident Donald Tusk hatte die Griechen darauf hingewiesen. Merkel & Co. betonen stets, die Tür sei weiter offen. Doch auch dies wäre an konkrete Reform- und Sparauflagen gebunden. Und auch darüber müssten die Europäer sowie der IWF in den nächsten Wochen und Monaten mit jener Tsipras-Regierung mühsam verhandeln, zu der sie keinerlei Vertrauen mehr haben. Auch müsste das griechische Parlament am Ende zustimmen, ebenso die Parlamente anderer Euro-Länder, darunter der Bundestag.
Kann Athen mit dem jüngsten Vorstoß auf rasches Geld hoffen?
Nein. Eine Brückenfinanzierung fällt wohl vorerst aus. Geld aus dem ESM könnte erst bei einem vereinbarten Hilfsprogramm fließen. Athen hat womöglich die EZB im Auge. Die berät in Kürze erneut über Nothilfen für griechische Banken. Zuletzt wurde die Obergrenze nicht mehr angehoben. Womöglich spekuliert Athen darauf, dass die EZB mit der Aussicht auf ein drittes Programm milder gestimmt wird.
Ist ausreichend Geld im ESM vorhanden?
Ja. Das aktuelle Ausleihvolumen des ESM beläuft sich auf knapp 453 Milliarden Euro. Die Links-Rechts-Regierung von Alexis-Tsipras hatte ein drittes Programm in der Vergangenheit immer abgelehnt. Der Finanzbedarf ist in den vergangenen Wochen deutlich gestiegen.