Nobelpreis-Verleihung Frieden in letzter Minute: Emotionale Feier für Santos

Oslo (dpa) - Genauso hatte sich Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos diesen Tag wohl erträumt. Am Samstag nimmt er in Oslo den Friedensnobelpreis für einen Frieden entgegen, der wirklich einer ist - wenn auch vorerst vor allem auf dem Papier.

„Ein Krieg, der den Menschen in unserem ganzen schönen Land soviel Leid und Verzweiflung gebracht hat, ist endlich zu Ende“, sagt der Politiker bei der Feier im Rathaus der norwegischen Hauptstadt, die Friedenstaube am Revers. Beinahe wäre ihm das nicht geglückt.

Der Vertrag mit der linken Farc-Guerilla, der den blutigen Bürgerkrieg in Kolumbien nach über 50 Jahren beendet, ist gerade einmal zwei Wochen alt. Nach der Verkündung im Oktober hatten viele noch bezweifelt, dass dieser Nobelpreis eine gute Idee war.

Kurz zuvor hatten die Kolumbianer die erste Version des Friedensvertrags mit der Farc in einem Referendum abgelehnt. Santos hatte sich zu sicher gefühlt, dass die Kolumbianer „Sí“ sagen würden. „Dieses Ergebnis war völlig unerwartet“, räumt der Präsident in seiner Dankesrede für den Nobelpreis ein. In der ersten Reihe im Rathaus sitzt das norwegische Königspaar samt Kronprinz Haakon und seiner Frau Mette-Marit und hört ihm zu.

Nach dem „No“ schien sein politisches Lebenswerk gescheitert. Wäre es klüger gewesen, die Jury hätte mit dem Preis abgewartet? „In unseren Augen gab es keine Zeit zu verlieren“, sagt Jurorin Berit Reiss-Andersen. „Im Gegenteil, der Friedensprozess drohte zusammenzubrechen und brauchte all die internationale Unterstützung, die er bekommen konnte.“ Auch Santos gab nicht auf. „Wir sind sehr nah dran“, sagte er damals.

Die Nachricht vom Nobelpreis verlieh dem Friedensprozess neuen Rückenwind. Die Auszeichnung sei „ein Geschenk des Himmels“ gewesen, sagt Santos heute. Der Präsident verhandelte noch einmal mit der Farc, diesmal lässt er das Volk außen vor, um nicht wieder zu scheitern. Am 30. November segnet der Kongress das neue Abkommen ab. Kolumbien hat nach über fünf Jahrzehnten Frieden mit der Guerilla geschlossen. Es ist das Ende eines Kriegs zwischen Rebellen und Militär, der mehr als 220 000 Menschen das Leben gekostet hat und wegen dem Millionen Kolumbianer ihre Heimat verlassen mussten.

Den Opfern des Konflikts will Santos sein Preisgeld von acht Millionen schwedischen Kronen (rund 830 000 Euro) spenden. Einige von ihnen sind in Oslo dabei, etwa die über sechs Jahre lang von der Farc-Guerilla entführte frühere Präsidentschaftskandidatin Ingrid Betancourt. Als Santos sie anspricht, stehen die Opfer auf, umarmen einander. Die Familie des Präsidenten ist zu Tränen gerührt, als er ihnen für ihre Unterstützung dankt. Vor allem einer seiner Söhne ist sichtlich bewegt. Nach Santos' Rede gibt es stehende Ovationen.

Der Kampf um ein friedliches Kolumbien ist mit der Annahme des Vertrags aber nicht zu Ende, der Frieden nicht perfekt. Viele Kolumbianer lehnen das Abkommen mit der Farc ab. Kriminelle Banden, die frühere Paramilitärs und Guerilleros rekrutieren, gewinnen an Boden, und mit der kleineren ELN-Guerilla gibt es bislang keine Einigung.

Dabei kann es Santos nicht schnell genug gehen. Bis April sollen alle rund 5800 Farc-Kämpfer ihre Waffen abgegeben haben, noch im Dezember soll das Einsammeln beginnen. Wenn der Frieden Wirklichkeit wird und nicht nur auf dem Papier besteht, hofft der Präsident, ändern auch die vielen Kolumbianer ihre Meinung, die den Vertrag mit der Farc zunächst abgelehnt haben.