Katholikentag 2018 Münster Friedensnobelpreisträger Santos: „Frieden schaffen ist wie eine Kathedrale bauen“

Der kolumbianische Präsident Juan Manuel Santos besucht den Katholikentag in Münster.

Juan Manuel Santos, Präsident der Republik Kolumbien, spricht anläßlich der Podiumsdiskussion „Frieden und Versöhnung sind möglich“ zu den Besuchern in der Halle Münsterland.

Foto: Guido Kirchner

Münster. „Suche Frieden“ ist das Leitwort des 101. Katholikentags in Münster. Gehört Juan Manuel Santos zu den Glücklichen, die ihn gefunden haben? Zumindest ist der kolumbianische Präsident seit zwei Jahren Träger des Friedensnobelpreises. Und wenn in 14 Tagen sein Nachfolger gewählt wird, wird er als derjenige in die Geschichte seines Landes eingehen, dem es gelungen ist, einen mehr als ein halbes Jahrhundert währenden Bürgerkrieg durch einen Friedensvertrag zu beenden.

Frieden? Die Zahl der ermordeten Menschenrechtler in Kolumbien ist unvermindert hoch. Das Land ist trotz eines jahrzehntelangen Kampfs gegen die Drogenkartelle weiter weltweit die Nummer eins der Kokainexporte. Und die Eingliederung der einstigen Farc-Rebellen in die Zivilgesellschaft gestaltet sich ein Jahr und vier Monate nach der Unterzeichnung des Friedensvertrages ausgesprochen mühsam. „Frieden schaffen ist wie eine Kathedrale bauen: Ziegelstein für Ziegelstein“, sagt Santos auf der Veranstaltung „Frieden und Versöhnung sind möglich“ am Donnerstagnachmittag in der Halle Münsterland.

In Kolumbien ist inzwischen ein Schulfach Frieden eingeführt worden. Die Kinder in dem traumatisierten Land sollen von klein auf lernen, Konflikte durch Dialog und nicht mit Gewalt zu lösen. Wie soll das gehen - nach 220.000 Toten und sechs Millionen Vertriebenen? Für den scheidenden Präsidenten ruht der schwierige Friedensprozess auf vier Säulen: dem Recht auf Wahrheit, dem Recht auf Gerechtigkeit, dem Recht auf Entschädigung und dem Recht, dass sich das Leid der Vergangenheit nicht wiederholt.

Eine Übergangsjustiz soll die Suche nach Gerechtigkeit begleiten. Die Mitglieder der Wahrheitskommission sind benannt, eine weitere Kommission ist für die Suche nach verschwundenen Personen zuständig. Inzwischen sind 8,5 Millionen Opfer des Bürgerkrieges registriert, ein Zehntel davon wurde bisher auf der Basis eines 2012 geschaffenen Gesetzes entschädigt. Wenn Santos sagt, dass es einfacher ist, Krieg zu führen, als Frieden zu machen, dann weiß er, wovon er spricht: Vor seiner Präsidentschaft war er Verteidigungsminister des Landes. „Statt befehlen muss man jetzt überzeugen und Vorurteile abbauen. Vor allem müssen wir die Opfer überzeugen, dass es wichtig ist, den Tätern zu verzeihen.“

An diesem Tag, an dem Präsident Santos auf dem Podium in Münster sitzt, beginnen auf Kuba die Friedensverhandlungen mit der zweiten kolumbianischen Untergrundorganisation ELN. Sie soll dem Beispiel der Farc folgen und ihre Waffen abgeben. Ob es gelingt? Unter seiner Präsidentschaft wohl nicht mehr. „Ich habe nur noch drei Monate.“ Aber er baut wieder auf den Rückhalt durch die Opfer. „Als wir begonnen haben, dachte ich, dass vor allem die Opfer gegen den Friedensprozess sein würden. Aber als es eine größere Krise gab, waren sie es, die uns ermutigt haben weiterzumachen.“

Santos hat nachgefragt, was die Motive für diese Unterstützung waren. Die Antwort: „Weil wir nicht wollen, dass es anderen so ergeht, wie es uns ergangen ist.“