Handelsstreit G20-Gastgeber Deutschland hält USA mit Mühe an Bord
Baden-Baden (dpa) - „Wo ist das Problem? So ist halt die Lage.“ Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble versucht, dem Minimal-Konsens mit den Amerikanern in Sachen Handel noch das Beste abzugewinnen.
Doch wie sehr „America first“ auch die Agenda im fernen Baden-Baden bestimmt hat, ist nach zwei Tagen zäher Verhandlungen unverkennbar. Franzosen, Japaner, Chinesen, Vertreter aus Südamerika und allen voran G20-Gastgeber Deutschland, Finanzminister wie Notenbankchefs betonen fast beschwörend die Errungenschaften von Freihandel und internationaler Zusammenarbeit. Am Ende jedoch setzen sich die USA durch - und verhindern die Bekräftigung des gemeinsamen Bekenntnisses zu Freihandel und gegen wirtschaftliche Abschottung.
Weil Deutschland ein Scheitern des Treffens der Finanzminister und Notenbankchefs der führenden Industrie- und Schwellenländer (G20) unbedingt verhindern und die USA an Bord halten will, einigt man sich in letzter Sekunde auf den kleinsten gemeinsamen Nenner: Handel sei prinzipiell wichtig für die Volkswirtschaften - eine Binsenweisheit. „Manchmal muss man sich in solchen Tagen eben darauf beschränken, dass man keinen Partner überfordert“, verteidigt Schäuble das.
Immer wieder ist am Freitag und heute von „sehr produktiven“ Gesprächen mit den Amerikanern in „sehr guter Atmosphäre“ der beschaulichen Kurstadt die Rede. Doch bei allem Bemühen, die erst vor zwei Monaten angetretene US-Regierung in bewährte globale Strukturen einzubinden, können die Verhandler eines nicht verhehlen: ihr Unverständnis, wie populistische Haltungen das über Jahrzehnte mühsam austarierte Gleichgewicht des Welthandels gefährden.
Jahrelang gab es Gezerre mit China in Sachen Währungsmanipulation - doch dass die Amerikaner so querschießen, daran können sich auch erfahrene G20-Teilnehmer nicht erinnern. So bestimmt Präsident Donald Trump seine Vorstellungen vorträgt, die heimische Wirtschaft auch mit Steuern und Zöllen auf Kosten der Handelspartner nach vorn zu bringen, so unbestimmt bleibt im Detail das Auftreten seiner Unterhändler. In etlichen Fragen hat die Regierung in Washington noch keine klare Position. Es sei ein bisschen so, wie wenn ein neuer Mitschüler in die Klasse aufgenommen werde, schildert ein Diplomat.
Schäuble macht früh klar, dass es ohne Amerika letztlich nicht gehe: „Das wäre ganz schlecht für Deutschland, für Europa, für die Welt.“ Der dienstälteste Ressortchef dämpft aber schon zu Anfang die Hoffnung, dass die G20 in Baden-Baden alle Stolpersteine in Sachen Handelsbeziehungen aus dem Weg räumen werden. Schließlich habe man es mit „neuen Partnern“ zu tun, „neuen Kollegen aus USA und China“.
Schäuble bekräftigt, vielleicht müsse „der eine oder andere - auch wichtige - Mitgliedstaat noch ein Gefühl kriegen“, wie internationale Zusammenarbeit funktioniere. Dass es eben auch um gegenseitige Rücksichtnahme und nicht nur um Konfrontation gehe.
Das Zugeständnis an die USA: Wenige Worte, die seit Jahren Standard sind in den gemeinsamen Erklärungen, fehlen am Ende. Amerika also gegen den Rest der Welt? Isoliert oder in einer Außenseiterrolle seien die Amerikaner keineswegs, versichert Schäuble.
Die Diskussionen hätten im Gegenteil erneut belegt, „wie unverzichtbar die Vereinigten Staaten sind in einer Welt, die so viele Probleme hat“, sagt der G20-Gastgeber. „Wir werden ihnen das höflich - so höflich, wie wir können - immer wieder sagen.“
Doch die Trump-Regierung meint, die USA würden von den Partnern unfair behandelt - und würde die Macht der größten Volkswirtschaft der Welt lieber nutzen, um eigene Regeln durchzusetzen. Wie genau sich Trump die wirtschaftlichen Beziehungen zum Beispiel zur gescholtenen Exportnation Deutschland vorstellt, bleibt jedoch auch nach dem Antrittsbesuch von Kanzlerin Angela Merkel in Washington am Freitag - parallel zu den G20-Beratungen am Fuße des Schwarzwalds - unklar. „Wir wollen Fairness, keine Siege“, orakelt Trump.
In Baden-Baden spielt unter anderen der Generalsekretär der Industrieländer-Organisation OECD, der Mexikaner Angel Gurría, den Konflikt mit den USA herunter: „Hier werden ja keine Entscheidungen getroffen. Und wenn etwas nicht in der Abschlusserklärung auftaucht, ist das nicht so schlimm. Die Taten zählen, nicht die Worte.“
Dass am Ende aber wichtige Formulierungen fehlen, ist ein deutliches Signal: Das neue Amerika drückt den G20 gleich bei erster Gelegenheit seinen Stempel auf. Nun ist es an den Staats- und Regierungschefs bei ihrem Gipfel im Juli in Hamburg, einen Handelskrieg abzuwenden.
Die Zeit drängt. Nur ein halbes statt wie üblich ein ganzes Jahr hat Deutschland, um einen Kompromiss auf G20-Ebene voranzutreiben. Wegen der Bundestagswahl im Herbst übernimmt schon nach dem Hamburger Gipfel Argentinien die G20-Präsidentschaft.