Analyse Gaggenau stoppt Erdogans Wahlkampfoffensive

Gaggenau/Berlin (dpa) - Manchmal können ziemlich banale Probleme eine große politische Wirkung haben. Zum Beispiel der Mangel an Parkplätzen. Das kleine badische Provinzstädtchen Gaggenau hat es geschafft, genau mit dieser Begründung die Wahlkampfoffensive des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan in Deutschland vorerst zu stoppen.

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Justizminister Bekir Bozdag darf nicht in der Festhalle Bad Rotenfels auftreten. Neben den Parkplätzen reichten auch die Zufahrtswege für den zu erwartenden Besucherandrang nicht aus, teilte die Stadtverwaltung mit.

Auch die Bezirksverwaltung Köln-Porz stellt keinen Raum für die Kampagnenpläne von Erdogans Regierungspartei AKP und einen Auftritt des türkischen Wirtschaftsministers Nihat Zeybekci zur Verfügung. „Es gibt keinen Mietvertrag für diese Veranstaltung am 5. März und es wird auch keinen geben“, sagte eine Sprecherin der Verwaltung am Donnerstag der dpa.

Seit vielen Tagen wird darüber diskutiert, ob und wie Auftritte von Erdogan und Co. hierzulande unterbunden werden können. Politisch? Polizeilich? Vor Gericht? Und jetzt scheint auf einmal alles so einfach zu gehen.

Der Bundesregierung kann das nur recht sein. Sie wird aus einem Dilemma befreit. Einerseits passt ihr die Kampagne Erdogans ganz und gar nicht, weil er damit für ein Präsidialsystem wirbt, das der deutschen Vorstellung von Demokratie und Gewaltenteilung massiv widerspricht. Andererseits will die Bundesregierung Erdogan auch nicht mit seinen eigenen Mitteln stoppen: Der Unterbindung von freien Meinungsäußerungen.

Genau diesen Vorwurf machte Bozdag der Bundesregierung am Donnerstag trotzdem. Meinungs- und Versammlungsfreiheit würden ignoriert, sagte er bei einem Besuch in Straßburg. „Was ist das für eine Demokratie?“, fragte er. Die Türkei könne diese „antidemokratische Auffassung“ nicht akzeptieren. „Das kann man mit Demokratie und Meinungsfreiheit nicht erklären. Schon gar nicht schickt es sich für einen Rechtsstaat.“

Solche Sätze waren bisher nur von deutscher Seite in Richtung Türkei zu hören. Die deutsch-türkischen Beziehungen stürzen nun immer weiter in die Krise. Bozdag ließ nach der Absage ein Treffen mit Bundesjustizminister Heiko Maas platzen. Der SPD-Politiker wollte über die Inhaftierung des deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel sprechen. Daraus wird jetzt erst einmal nichts.

Wie es im Fall Yücel weitergeht ist ebenso unklar, wie die weitere Verfassungskampagne in Europa. Am 16. April soll darüber in einem Referendum abgestimmt werden. Die Auslandstürken könnten zum Zünglein an der Waage werden. Von den 58,2 Millionen Wahlberechtigten leben 2,9 Millionen im Ausland, 1,4 Millionen davon in Deutschland. Bei ihnen können Erdogan und seine AKP traditionell auf starke Zustimmung zählen - weswegen es für sie wichtig ist, ihre Unterstützer dort zur Stimmabgabe zu mobilisieren.

Das gelang bisher nur Ministerpräsident Binali Yildirim der vor knapp zwei Wochen in Oberhausen vor Tausenden Menschen für ein Ja beim Referendum warb. Er hatte danach angekündigt, auch Erdogan selber wolle „zu den türkischen Bürgern in Europa“ sprechen.

Was wird nun daraus? Die hitzige Debatte, die in Deutschland um Wahlkampfauftritte seiner Regierungsmitglieder und um einen möglichen Auftritt Erdogans tobt, ist in der Türkei nicht unbemerkt geblieben. Schon vor gut einer Woche schrieb die regierungsnahe Zeitung „Sabah“ von „Deutschlands großer Schande“ und machte eine „Verbotskampagne“ gegen Erdogan aus. Denkbar wäre nun aber auch ein Auftritt Erdogans in einem EU-Staat außerhalb Deutschlands, der für türkische Wähler in der Bundesrepublik leicht erreichbar wäre.