Porträt „Gegen den Hass“: Friedenspreisträgerin Carolin Emcke
Frankfurt/Berlin (dpa) - Die neue Friedenspreisträgerin Carolin Emcke gehört zu den profiliertesten Journalistinnen der Republik. Einen Namen hat sie sich vor allem mit ihren Berichten aus Kriegs- und Krisengebieten gemacht, denen das Mitleid mit den Geschundenen oft bis an die Schmerzgrenze eingeschrieben ist.
Darüber hinaus ist die promovierte Philosophin aber auch eine wichtige Intellektuelle, die sich etwa über die wachsende Aggressivität und die Polarisierung in unserer Gesellschaft Gedanken macht.
„Gegen den Hass“ heißt ihr neuer Band, der jetzt zur Frankfurter Buchmesse herausgekommen ist. Darin schreibt sie gegen den religiösen und nationalistischen Fanatismus an - und setzt ein Menschenbild der Vielfalt entgegen. Wenn es um Rassismus und die Herabsetzung von Minderheiten geht, sei es Pflicht der Zivilgesellschaft zu widersprechen, verlangt sie.
Politisches und Privates - Emcke hat 2013 über die Entdeckung ihrer eigenen Homosexualität ein Buch veröffentlicht - gehören für die 49-Jährige untrennbar zusammen. Ihr Leben ist für sie gleichbedeutend mit sozialem Engagement.
Genau dafür hat ihr der Stiftungsrat den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels zugesprochen. „Das Werk von Carolin Emcke wird somit Vorbild für gesellschaftliches Handeln in einer Zeit, in der politische, religiöse und kulturelle Konflikte den Dialog oft nicht mehr zulassen“, heißt es in der Begründung.
Begonnen hat Emcke ihre journalistische Karriere 1998 als Redakteurin beim „Spiegel“, der sie bald in Krisenregionen wie Kosovo, Afghanistan, Pakistan, Irak und den Gaza-Streifen schickte. 2004 erschien ihr erstes Buch „Von den Kriegen - Briefe an Freunde“, in dem sie diese Erfahrungen aufarbeitet und die eigene Rolle als Beobachterin reflektiert.
1967 in Mülheim an der Ruhr geboren und in behüteten Verhältnissen aufgewachsen, studierte sie in Frankfurt, London und in Harvard Philosophie, Politik und Geschichte. Ihren Magister machte sie bei Jürgen Habermas, der zusammen mit anderen Aushängeschildern der Frankfurter Schule bis heute gern von ihr zitiert wird.
Seit 2007 ist Emcke als freie Publizistin tätig, über Jahre hinweg vor allem mit vielfach ausgezeichneten Reportagen und Essays für „Die Zeit“. Seit 2014 hat die Wahlberlinerin eine Kolumne in der Wochenendausgabe der „Süddeutschen“, die sie vorübergehend ausgesetzt hat. Mit ihrer Mischung aus Coolness und Verbindlichkeit ist die gern schwarz gekleidete Tough-Frau auch in öffentlichen Diskussionen gefragt - etwa bei ihrer monatlichen Reihe „Streitraum“ an der Berliner Schaubühne.
In ihrem Buch „Stumme Gewalt“ (2008) hat sie sich mit der Roten-Armee-Fraktion auseinandergesetzt. Emcke war Patenkind des 1989 von der RAF bei Frankfurt ermordeten Deutsche-Bank-Chefs Alfred Herrhausen. Im Buch plädiert sie für einen Verzicht auf Gewalt und Rache und die Einsetzung einer Art Wahrheitskommission. Den Mord an ihrem Onkel nennt sie „eine traumatische Erfahrung“. Bei der Verarbeitung könne letztlich auch ein solches Buch nicht helfen. „Man muss damit ringen und hadern.“