Analyse „Gehobene Kampfesstimmung“ beim Gipfel - drinnen und draußen

Hamburg (dpa) - Jean-Claude Juncker spricht beim G20-Gipfel in Hamburg von „gehobener Kampfesstimmung“. Der EU-Kommissionspräsident meint den eskalierenden Konflikt mit US-Präsident Donald Trump um eine mögliche Abschottung der USA beim Stahlhandel - Juncker droht mit schnellen EU-Sanktionen.

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Draußen auf den Straßen kommt es derweil zu echten Kämpfen. Vor den Toren des abgeriegelten Gipfels in den Messehallen. Das Ganze im Zentrum der Hansestadt.

Die deutsche Hafenmetropole rühmt sich ihrer Weltoffenheit. Hier wurde auch Angela Merkel geboren, bevor ihre Familie in den Osten Deutschlands zog. Heute ist die Bundeskanzlerin Gastgeberin des ersten G20-Gipfels auf deutschem Boden. Seit Trumps Wahl wird sie von dessen Kritikern auch als „Führerin der freien Welt“ bezeichnet. Denn sie hat ihn von Anfang an zur Einhaltung der Freiheitsrechte ermahnt.

An diesem Tor zur Welt begrüßen Demonstranten die internationalen Staats- und Regierungschefs mit einem unheilvollen „Willkommen in der Hölle“. Autos brennen, Polizisten werden angegriffen, Wasserwerfer kommen zum Einsatz. Das Großaufgebot von 19 000 Sicherheitskräften reicht nicht aus, eilig wird Verstärkung aus anderen Bundesländern angefordert.

Ihr erklärtes Ziel, die von ihnen gehassten Mächtigen der Welt gar nicht erst zum Ort des Gipfel gelangen zu lassen, erreichen die militanten Demonstranten nicht. Aber die First Lady der USA, Melania Trump, wird am Verlassen des Gästehauses des Senats gehindert und kann nicht pünktlich zum Partnerprogramm kommen. Sie verpasst erst einmal eine Schiffsrundfahrt durch den Hafen. Auch US-Außenminister Rex Tillerson stellen sich 500 Vermummte in den Weg.

Ein Teilerfolg für die Krawallmacher - ein wohl ziemlich zweifelhafter. Denn sie ändern an den Missständen in der Welt gar nichts und senden nur diese Botschaft: Zerstörung. Genau das, was sie den G20-Wirtschaftsmächten vorwerfen. Dabei decken sich Merkels erklärten Ziele etwa des Klimaschutzes, der Frauenrechte und der Förderung afrikanischer Staaten mit denen von linken Protestierern.

Merkel selbst sagt, dass Differenzen nicht unter den Teppich gekehrt werden dürften. Das gilt für sie sowohl im Gipfelkreis als auch in der Auseinandersetzung mit G20-Kritikern. Aber Scheiben einwerfen ist eben kein Argument und der schwarze Block kein Gesprächspartner.

Für Merkel ist das alles heikel. Die Bundesregierung hat nach eigenen Angaben sehr viel Wert darauf gelegt, bei der Vorbereitung des Gipfels die Bürgerrechte besonders zu berücksichtigen und die Zivilgesellschaft stark einzubinden. Aus ihrer Erfahrung in der DDR weiß sie nur zu gut, wie wichtig Meinungs-, Presse- und Versammlungsfreiheit sind. Immer wieder mahnt sie dies auch in anderen Ländern an - in Russland, in der Türkei, in China.

2016 war der G20-Gipfel im chinesischen Hangzhou, 2015 im türkischen Antalya. Hermetisch abgeriegelt, von Demonstranten kaum eine Spur. Merkel hatte durchblicken lassen, dass sie eine derartige Abschottung der Mächtigen problematisch findet. Die Bürger sollten nicht mundtot gemacht werden, sondern ihre Kritik äußern dürfen - das ist ihre Haltung.

Die Bilder der Rauchschwaden über Hamburg, die Kunde von einem beeinträchtigten Partnerprogramm dürften Hardliner von Peking über Ankara bis Moskau in ihrer Haltung bestärken: das Demonstrationsrecht einzuschränken. Merkel wird von ihnen in dieser Hinsicht ohnehin belächelt. Beim Partnerprogramm hat Merkels Ehemann, der Chemieprofessor Joachim Sauer, im übrigen den Klimaschutz zum Thema gemacht.

Im Gipfelgebäude versucht Merkel ihre Kontrahenten wie Trump, Kremlchef Wladimir Putin und den türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan auf Zusammenarbeit einzuschwören. Juncker sagt, er sei froh, dass in diesem Jahr Deutschland unter Merkel die G20-Präsidentschaft inne habe. Und sie wisse, dass sie nicht alles alleine tun könne - und müsse.

Und Merkel betont: „Wir wissen, dass die Zeit drängt, deshalb können Lösungen oft nur gefunden werden, wenn wir kompromissbereit sind.“ So soll zum Beispiel mit internationalen Mitteln ein Fonds für Frauen in Entwicklungsländern eingerichtet werden, über den diese Kleinkredite bekommen und der Armut entkommen könnten. Trumps Tochter Ivanka hat das maßgeblich unterstützt - nachdem Merkel mit ihr in Washington und Berlin darüber gesprochen hat. Reden hilft.