Genscher im In- und Ausland gewürdigt

Berlin (dpa) - Der langjährige deutsche Außenminister Hans-Dietrich Genscher ist im In- und Ausland für seine Verdienste gewürdigt worden. Alt-Kanzler Helmut Kohl erinnerte sich an „einen Weggefährten, auf den ich mich auch menschlich stets verlassen konnte“.

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Genscher habe „wie kein Zweiter das Amt des deutschen Außenministers im In- und Ausland geprägt“, hieß es in einem persönlichen Nachruf Kohls in der „Bild“-Zeitung.

Kohl betonte: „Wie viele andere Menschen auch denke ich in diesem Moment vor allem an seine Verdienste um die Wiedervereinigung unseres Landes am 3. Oktober 1990, die wir in nicht einmal einem Jahr ab Mauerfall am 9. November 1989 in vielen zähen und schwierigen Verhandlungen in Frieden und Freiheit, ohne Blutvergießen und mit Zustimmung unserer Nachbarn und Partner und - für mich existenziell - als Mitglied der Nato erreicht haben.“

Bundespräsident Joachim Gauck war am Freitag einer der ersten, die den Verstorbenen als herausragende Persönlichkeit würdigten. „Mit seiner Verlässlichkeit und seinem diplomatischen Geschick hat Hans-Dietrich Genscher unserem Land in der Welt ein Gesicht gegeben und das Vertrauen bei unseren Partnern gestärkt“, betonte Gauck in einem Kondolenzschreiben an Genschers Frau Barbara.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erklärte in einer Mitteilung: „Ich verneige mich in Hochachtung vor der Lebensleistung dieses großen liberalen Patrioten und Europäers.“ Sie bleibe „für all die Gespräche und Begegnungen mit ihm dankbar, bei denen ich bis in die letzten Jahre von seiner Welterfahrung und Lebensweisheit schöpfen durfte“. Genscher habe das Amt des Außenministers geprägt wie kein anderer.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble schrieb ebenfalls in einem persönlichen Nachruf für die „Bild“-Zeitung: Gemeinsam hätten sie unter der Führung Helmut Kohls die Weichen für die Wiedervereinigung gestellt, so Schäuble. „Immer hat er daran geglaubt, dass die Teilung unseres Landes einmal überwunden wird. Er war Deutscher aus tiefstem Herzen - und er war ein überzeugter Europäer. Weil er immer wusste, dass Deutschland am besten in einem geeinten Europa aufgehoben ist.“

Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) nannte ihn einen „großen Deutschen und großen Europäer“. „Hans-Dietrich Genscher hat in seinem langen und bewegten Leben buchstäblich Geschichte geschrieben: die Geschichte unseres Landes, Deutschland, und Geschichte in Europa. Sein Platz in den Geschichtsbüchern ist ihm gewiss“, sagte Steinmeier am Freitag bei einem Besuch in Tadschikistan. „Ein großer Deutscher und ein großer Europäer ist heute von uns gegangen.“

Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) sprach von einem herausragenden Staatsmann. „Mit ihm verliert unser Land einen der ganz großen Liberalen, einen Anwalt der Verständigung und der steten Annäherung und eine einzigartige Persönlichkeit“, erklärte der SPD-Chef am Freitag. „Wir werden ihn als herausragenden Staatsmann in Erinnerung behalten.“

Ex-Sowjetpräsident Michail Gorbatschow (85) bezeichnete seinen Tod als großen Verlust. „Man sagt, dass es in der Politik keine Freunde geben kann. Das stimmt nicht. Hans-Dietrich Genscher war in den letzten Jahren mein richtiger Freund. Ich habe einen Freund verloren“, sagte der russische Friedensnobelpreisträger am Freitag in Moskau. Der „herausragende Staatsmann“ Genscher habe wesentlich zum Ende des Kalten Krieges beigetragen. „Ihm wurde Leichtgläubigkeit vorgeworfen. Nachdem Deutschland wiedervereint war, mussten seine Kritiker zugeben, dass er Recht hatte“, sagte Gorbatschow.

EU-Spitzenvertreter würdigten den Einsatz Genschers für Europa. EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) bezeichnete ihn als „überzeugten Europäer“. „Wir verlieren einen großen, klugen und prägenden Politiker.“ Genscher habe maßgeblich Deutschlands Wiedervereinigung mitgestaltet und die europäische Integration vorangetrieben.

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker schrieb: „Er wird mir und Europa fehlen.“ Genscher habe sein „ganzes unermüdliches Wirken der Versöhnung, der Einigung und dem Wohlergehen dieses Kontinents verschrieben“. Es sei auch diesem Einsatz zu verdanken, dass die EU inzwischen 28 Mitgliedstaaten habe.

Der langjährige Außenminister war am Donnerstagabend im Kreis seiner Familie in seinem Haus im rheinischen Wachtberg-Pechin im Alter von 89 Jahren an Herz-Kreislauf-Versagen gestorben.