Gewerkschaften protestieren europaweit gegen Spardiktat

Berlin (dpa) - Bei überwiegend strahlendem Sonnenschein haben sich europaweit tausende Menschen zu den traditionellen Mai-Kundgebungen versammelt. Dabei gab es in erster Linie Proteste gegen die jeweilige Sparpolitik der Länder.

Die größte Veranstaltung zum 1. Mai gab es in Moskau, wo allerdings der Tag der Arbeit nicht mehr so gefeiert wird wie zu Sowjetzeiten. In Griechenland und Frankreich standen die Kundgebungen im Zeichen der Wahlen am kommenden Sonntag.

Zum ersten Mal überhaupt führten am Dienstag gleich zwei Kreml- Chefs eine Maikundgebung durch Moskau an. Wenige Tage vor dem Wechsel im Kreml marschierte der künftige Präsident Wladimir Putin zusammen mit Amtsinhaber Dmitri Medwedew an der Spitze von rund 150 000 Menschen durch die russische Metropole. In der Menge mit Mitgliedern kremltreuer Gewerkschaften waren Transparente mit Aufschriften wie „Arbeiter für Putin und Medwedew“ zu sehen.

In Frankreich kämpfte Staatschef Nicolas Sarkozy um Wählerstimmen für die Stichwahl am kommenden Sonntag. Trotz Popularitätstiefs gab er sich kämpferisch. Unter Berufung auf traditionelle Werte und historische Führungspersönlichkeiten rief er bei einer Kundgebung am Eiffelturm zur Geschlossenheit auf. An die Adresse der Gewerkschaften gerichtet meinte er: „Legt die rote Fahne nieder und dient Frankreich (...) Eure Rolle ist nicht die Verteidigung einer Ideologie, sondern der Arbeiter.“ Er verteidigte die Sparpolitik seiner Regierung, die eine Situation „wie in Spanien oder Griechenland“ vermieden hätte.

Fünf Tage vor der Parlamentswahl protestierten in Griechenland Tausende bei Mai-Kundgebungen in vielen Städten gegen die harten Sparmaßnahmen zur Rettung des Landes vor dem Bankrott. In Athen, der nordgriechischen Hafenstadt Thessaloniki und der westgriechischen Hafenstadt Patras sowie auf Kreta gingen mehrere tausend Menschen auf die Straße, berichtete das Staatsradio.

In Spanien demonstrierten Zehntausende gegen die Sparpolitik der konservativen Regierung von Ministerpräsident Mariano Rajoy. Die größten Kundgebungen fanden in Madrid und Barcelona statt. Insgesamt wurde in mehr als 80 spanischen Städten demonstriert. Die Gewerkschaften hielten der Regierung vor, sich bei den Einsparungen an die Vorgaben der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel zu halten.

Italiens Gewerkschaften kritisierten neue milliardenschwere Sparpläne der Regierung und forderten zudem Steuerentlastungen für Arbeitnehmer. „Die Sparpolitik bringt nichts als weiteren Ärger“, erklärte Susanna Camusso, die Vorsitzende des größten Gewerkschaftsverbandes Cgil, in der Stadt Rieti. Ministerpräsident Mario Monti hatte nach einer fünfstündigen Kabinettssitzung am Montagabend angekündigt, seine Regierung wolle die Staatsausgaben bis Jahresende um weitere 4,2 Milliarden Euro kürzen.

In Portugals Hauptstadt Lissabon gab es nur kleinere Kundgebungen zum 1. Mai, zu denen jeweils nur mehrere hundert Menschen erschienen. Wenig Interesse an den einst populären Mai-Kundgebungen zu gemeinsamen Jugoslawien-Zeiten zeigten auch Serben und Kroaten: 500 Demonstranten wurden in der kroatischen Hauptstadt Zagreb gezählt, in Belgrad waren es nach Medienangaben knapp 150. Auch die Polen nutzten die freien Tage eher für einen Kurzurlaub. Lediglich in Kattowitz protestierten rund 100 Arbeits- und Obdachlose gegen soziale Benachteiligung.

In der rumänischen Hauptstadt Bukarest demonstrierten etwa 1000 Menschen, vor allem Rentner, gegen das von IWF und EU aufgezwungene Sparprogramm. In der ungarischen Hauptstadt Budapest folgten mehrere tausend Arbeitnehmer am Mai-Feiertag einem Aufruf der Gewerkschaften zum Protest gegen die Verschlechterung ihrer rechtlichen Situation seit der Novellierung des Arbeitsrechts.