Gewerkschaften setzen Zeichen gegen Niedriglöhne
München/Berlin (dpa) - Am Tag der Arbeit sind nach Gewerkschaftsangaben bundesweit mehr als 400 000 Menschen für soziale Gerechtigkeit auf die Straße gegangen. Bei der zentralen Kundgebung in München forderte der DGB-Vorsitzende Michael Sommer, Reiche und Wohlhabende stärker in die Pflicht zu nehmen.
Wer mehr habe, müsse auch mehr abgeben, sagte Sommer. Ähnlich äußerten sich andere Gewerkschafter bei Veranstaltungen im ganzen Land, die auch das aktuelle Thema Steuerhinterziehung aufgriffen.
Das Grundgesetz sage deutlich, dass Eigentum verpflichte. „Das wird nicht mehr ernst genommen von den Reichen und Mächtigen“, sagte Sommer. Es könne nicht sein, „dass unser Gemeinwesen fast ausschließlich von den Lohnsteuerzahlern und Konsumenten finanziert wird, während sich die Reichen und Schönen einen schlanken Fuß machen“. Für viele sei Steuerflucht kein Verbrechen, sondern ein „Reichensport“, sagte Sommer.
Verdi-Chef Frank Bsirske kritisierte bei einer Mai-Kundgebung in Ludwigshafen die Fiskalpolitik von Kanzlerin Angela Merkel (CDU). „Mit ihrer Absage an Vermögensteuern will Kanzlerin Merkel reiche Erben und Besitzer großer Vermögen steuerlich privilegieren“, sagte Bsirske am Mittwoch laut Mitteilung. Notwendig wäre aber mehr Steuergerechtigkeit, um Investitionen in Alterssicherung, Bildung, ökologischen Umbau und ins Verkehrswesen zu finanzieren.
Der Vorsitzende der IG Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE), Michael Vassiliadis, forderte bei der Mai-Kundgebung in Hamburg eine wirtschaftliche und soziale Wende in Deutschland und Europa sowie mehr Steuergerechtigkeit: „Steuerhinterziehung muss künftig härter verfolgt werden, das wissen wir nicht erst seit dem Fall Hoeneß.“
Die IG Metall kritisierte die Zunahme von Leiharbeit und Minijobs. „Wir brauchen gesetzliche Regelungen, die Missbrauch und Arbeitgeberwillkür ein Ende setzen“, sagte der Bundesvorsitzende der Metall-Gewerkschaft, Berthold Huber, bei einer Kundgebung in Stuttgart. Er verlangte auch ein Investitionsprogramm für Europa: „Es ist menschenverachtend, wenn weiter auf dem Rücken der Arbeitslosen, der Kranken und Alten gekürzt wird.“
Der Vorsitzende der IG Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU), Klaus Wiesehügel, forderte ein Ende der Umverteilung von unten nach oben. „Die angebliche Eurorettung durch Kaputtsparen und massive Kürzungen von Renten und Sozialleistungen ist ein Irrweg“, sagte er in Solingen. DGB-Chef Sommer appellierte an die Bundesregierung, nicht nur auf Ausgabenkürzungen in den betroffenen Staaten zu setzen. „Dieser Kontinent darf nicht kaputtgespart werden.“
Die bundesweit mehr als 400 Veranstaltungen des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) standen unter dem Motto: „1. Mai: Unser Tag - Gute Arbeit, Sichere Rente, Soziales Europa“. Der Zulauf sei mit rund 425 000 Teilnehmern etwas größer als im Vorjahr gewesen. „Die große Zahl (...) sendet in das Wahljahr 2013 ein deutliches Signal: An den Themen der Gewerkschaften, an den Anliegen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer kommt keiner vorbei“, erklärte Sommer in Berlin.