Analyse Griechenland und Co.: Wer sind die Euro-Wackelkandidaten?

Frankfurt/Main (dpa) - Die Furcht vor einem Auseinanderbrechen des Euro nimmt zu. Das schlägt sich auch an den Finanzmärkten zunehmend nieder. Anleger flüchten in den sicheren Hafen Deutschland und meiden Euro-Wackelkandidaten.

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Die Zinsen driften auseinander, der Euro verliert an Wert. Welche Länder stehen im Fokus und warum?

GRIECHENLAND: Zurzeit droht eine erneute Eskalation des Streits zwischen den Gläubigern und Athen um weitere Hilfskredite. Umstritten ist, ob Griechenland ausreichend Reformen umgesetzt hat. Zudem ist unklar, ob sich der Internationale Währungsfonds (IWF) an weiteren Hilfen beteiligt. Die Euro-Finanzminister einigten sich am Montag darauf, die Kontrollen der Reformen fortzusetzen. Im Anschluss könnte das bereits beschlossene dritte Hilfsprogramm fortgesetzt werden. Nach Ansicht des Chefs vom Euro-Rettungsfonds ESM dürfte ein viertes Programm nicht nötig sein. „Wenn die nächsten 18 Monate gut genutzt werden, bin ich zuversichtlich, dass dies das letzte Programm ist, das Griechenland machen muss“, sagte Klaus Regling der „Süddeutschen Zeitung“ (Mittwoch).

FRANKREICH: Nicht die Wirtschaft, sondern auch die Politik macht die zweitgrößte Euro-Volkswirtschaft zum Wackelkandidaten. „Mit den näher rückenden Präsidentschaftswahlen in Frankreich und positiven Umfragewerten für Marine Le Pen nehmen die Sorgen um die politische Einheit in der Eurozone zu“, sagt Antje Praefcke, Expertin bei der Commerzbank. Dies mache sich an einer Schwäche des Euro bemerkbar. Le Pen will den Austritt Frankreichs aus EU und Euro. In Sorge sind auch die Anleger: Die Differenz der Rendite zwischen deutschen und französischen Staatspapieren mit Laufzeit von zwei Jahren ist so hoch wie nie zuvor und lag am Mittwoch bei fast einem halben Prozentpunkt. Die französische Rendite über zehn Jahre ist schon höher als die von Irland und der Slowakei. Dabei schätzen Ratingagenturen die Kreditwürdigkeit Irlands deutlich schlechter ein als die Frankreichs.

ITALIEN: Wegen fauler Kredite im Bankensektor und der instabilen politischen Lage ist Italien ein Sorgenkind der Eurozone. Vom Marktforschungsunternehmen Sentix befragte Anleger schätzten zuletzt die Austrittswahrscheinlichkeit für Italien am höchsten ein. Italiens Ex-Regierungschef Matteo Renzi hatte bei einem Referendum über eine Verfassungsänderung im Dezember eine herbe Niederlage erlitten und war daraufhin zurückgetreten. Spätestens im Frühjahr 2018 sollen Parlamentswahlen stattfinden. Die eurokritische Protestbewegung Fünf Sterne des Ex-Komikers Beppe Grillo hat Chancen auf einen Wahlsieg.

PORTUGAL: Trotz Reformbemühungen kämpft das Land weiter mit einer hohen Verschuldung und geringem Wirtschaftswachstum. Immerhin blieb Portugal zuletzt von einer Abstufung der Kreditwürdigkeit durch die kanadische Ratingagentur DBRS verschont. Das war wichtig, weil DBRS die einzige der großen Agenturen ist, die Portugal noch nicht auf „Ramschniveau“ herabgestuft hat. Sollte eine Abstufung künftig kommen, würde das Land von den Staatsanleihekäufen der Europäischen Zentralbank (EZB) ausgeschlossen. Dies würde Experten zufolge die Schuldenaufnahme extrem erschweren und könnte ein teures Rettungsprogramm erforderlich machen.

SPANIEN: Keines der ehemaligen Euro-Krisenländer hat sich wirtschaftlich so gut erholt wie Spanien. Die Wirtschaft brummt und das Wachstum stellt auch die Dynamik der deutschen Wirtschaft in den Schatten. Allerdings hat Spanien Probleme, das Staatsdefizit in den Griff zu bekommen, und die Arbeitslosigkeit ist trotz Rückgängen immer noch auf hohem Niveau. Dennoch macht sich die bessere Entwicklung etwa im Vergleich zu Portugal auch am Anleihemarkt bemerkbar. Die Rendite zehnjähriger spanischer Papiere ist nicht einmal halb so hoch wie die portugiesischer Anleihen. Investoren haben also mehr Vertrauen in Spanien als in das Nachbarland und geben sich mit einer niedrigeren Rendite zufrieden.

NIEDERLANDE: Obwohl der Rechtspopulist und Euro-Gegner Geert Wilders Umfragen zufolge bei den Parlamentswahlen im März die meisten Stimmen auf sich vereinen könnte sind die Anleger entspannt. Die Rendite zweijähriger niederländischer Staatspapiere erreichte am Mittwoch sogar ein Rekordtief. Denn Wilders dürfte kaum Koalitionspartner für eine Regierungsbildung finden. Wirtschaftlich läuft es in den Niederlanden zudem rund, wenn auch ein Risiko in der immensen privaten Verschuldung liegt. Laut der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) waren die Niederländer 2015 mit einem Betrag von gut 277 Prozent ihres jährlich verfügbaren Nettoeinkommens privat verschuldet. Das ist anteilig knapp dreimal so viel wie in Deutschland.