Gute Freunde und eine Münchner Krisenkonferenz
Berlin (dpa) - Mali, Syrien, Iran, Nahost: Die Krisenherde der Welt bestimmen die Tagesordnung der Münchner Sicherheitskonferenz. Den Auftakt machten aber „gute Freunde“: die Kanzlerin und der US-Vizepräsident - stellvertretend für die transatlantische Partnerschaft.
Es waren deutliche Worte, die US-Vizepräsident Joe Biden seinem dreitägigen Deutschlandbesuch vorausschickte. „Die transatlantischen Bindungen waren nie tiefer, breiter und wichtiger als heute“, versicherte er schon vor seinem Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Freitagnachmittag im Kanzleramt in Berlin via „Süddeutsche Zeitung“. Beruhigung für die Europäer, die etwas eifersüchtig das stetig wachsende Interesse der Amerikaner an Asien verfolgen. „Unsere Beziehung zu Europa ist der Grundpfeiler all unserer Verpflichtungen in der Welt und ein Katalysator für die weltweite Zusammenarbeit“, sagt Biden.
Die Kanzlerin bedankte sich: „Ich freue mich sehr über den Besuch, weil er ausdrückt, dass das transatlantische Verhältnis sehr eng ist. Für Deutschland sind die Vereinigten Staaten nicht nur ein außerordentlich wichtiger Partner, sondern ein guter Freund.“ Biden war erstmals im Kanzleramt. In Berlin war er aber schon vor rund 30 Jahren. Der 70-Jährige erzählte vor Journalisten, dass sein Sohn ihn vor seinem Abflug daran erinnert habe, wie sie damals am Checkpoint Charlie standen - dem in Amerika sicher bekanntesten Grenzübergang zwischen der BRD und der DDR im geteilten Berlin.
Biden überbrachte auch Grüße von US-Präsident Barack Obama, der selbst seit Beginn seiner Amtszeit noch nie in Berlin war. Seither steht diese eine Frage im Raum: Wann wird er kommen? Ein „Bild“- Reporter rief dem Vizepräsidenten diese Frage zu. Geradezu schützend stellte sich Merkel vor Biden und wehrte ab, es habe eine Erklärung und einen Handschlag gegeben. „Alles weitere werden Sie später erfahren.“ Ein wunder Punkt.
Die Hauptstadt war nur ein kurzer Zwischenstopp für Biden, der erst am Morgen eingetroffen und dessen weiteres Ziel die Münchner Sicherheitskonferenz war. Dort will er an diesem Samstag Deutschland, Europa und der Welt einen Vorgeschmack auf die Außenpolitik von Obama in seiner zweiten Amtszeit geben, der in dieser Hinsicht bisher viele enttäuscht hat. Im Nahost-Konflikt gab es keinerlei Fortschritte und das Verhältnis der Nato zu Russland hat sich sogar noch verschlechtert. Nun erwartet die internationale Gemeinschaft, dass Obama liefert.
Das Zeitfenster für Vermittlungsinitiative im Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern halten Experten für relativ klein. Und für den Streit mit Russland über ein europäisches Raketenabwehrsystem hat Obama bereits vor Monaten Kompromissbereitschaft für die Zeit nach der US-Präsidentschaftswahl in Aussicht gestellt. Biden wird sich mit einiger Sicherheit an in München in seiner Grundsatzrede zu beiden Themen äußern.
Im Mittelpunkt der Konferenz stehen aber die aktuellen Krisen: Mali, Syrien, Nahost, Iran. So krisengeschüttelt wie in diesem Jahr war die Tagesordnung des Treffens von Spitzenpolitikern und Experten aus aller Welt schon lange nicht mehr. Konferenzchef Wolfgang Ischinger hat den ganzen Sonntag für die Krisenherde freigeräumt.
Mit dem israelischen Luftangriff auf syrisches Gebiet zwei Tage vor Konferenzbeginn hat das Treffen noch einmal zusätzliche Brisanz gewonnen. Syrien und der Iran beschuldigen Israel, ein militärisches Forschungszentrum bei Damaskus attackiert zu haben. Aus westlichen Sicherheitskreisen hieß es dagegen, der Angriff habe einem Konvoi mit Flugabwehrraketen für die israelfeindliche Hisbollah-Miliz im Südlibanon gegolten. Israel hat sich bisher noch nicht zu den Spekulationen geäußert. Einer, der ziemlich genau wissen muss, welches Ziel die israelische Luftwaffe hatte, kommt am Sonntag nach München: der scheidende israelische Verteidigungsminister Ehud Barak. Seine Rede dürfte zu den spannendsten der Konferenz gehören.
Gleich im Anschluss tritt ein Gast auf, der sich schon sehr wohl zu dem Angriff geäußert hat, und das ziemlich kernig: der iranische Außenminister Ali-Akbar Salehi. „Dieser Akt ist eine klare Verletzung der territorialen Integrität Syriens und beweist erneut, dass die Zionisten (Israel) und der Westen keine Stabilität und Sicherheit in Syrien wollen“, sagte er laut Staatsfernsehen vor seiner Abreise nach München. Der Angriff beweise, dass die „Terroristen“ in Syrien die gleichen Ziele verfolgten wie Israel. Gemeint ist die syrische Opposition, die seit Monaten gegen das Regime von Baschar al-Assad kämpft.
Die Reaktionen auf den Angriff zeigen die gefährliche Verknüpfung der Krisenherde Iran, Israel und die palästinensischen Gebiete sowie Syrien. Es ist durchaus möglich, dass sich Barak und Salehi im Tagungshotel, dem Bayerischen Hof, begegnen. Dass die beiden miteinander reden, gilt aber als ausgeschlossen.