Hammelfleisch, Hostessen, Öl: Berlusconi und Gaddafi
Rom (dpa) - Der italienische Regierungschef ist nicht nur für seine Neigung zu schönen Mädchen bekannt. Auch Silvio Berlusconis schillernde Männerfreundschaften können sich sehen lassen. Zu den skurrilsten Busenfreunden des Premiers zählte bisher der libysche Staatschef Muammar al-Gaddafi.
Das brutale Vorgehen der libyschen Staatsmacht gegen Demonstranten und die Anschuldigungen an die Adresse Gaddafis sorgen auch in Italien für großes Aufsehen. Dem innenpolitisch angeschlagenen und wegen einer Sexaffäre angeklagten Berlusconi verschafften die blutigen Unruhen im Wüstenstaat erstmal eine Ablenkung der internationalen Aufmerksamkeit. Doch steht für Italien einiges auf dem Spiel, nicht nur Berlusconis Männerfreundschaft.
2008 war es Berlusconi, der mit Gaddafi den Freundschaftsvertrag zwischen Tripolis und Rom unterzeichnete und sich zu Milliardenzahlungen in zwei Jahrzehnten verpflichtete, um Wunden der Kolonialzeit zu heilen. Seitdem traf sich der italienische Regierungschef ganze elf Mal mit dem Herrscher aus Tripolis zu Hammelfleisch und Couscous.
Der wirre Regenschirm-Auftritt Gaddafis in der Nacht zum Dienstag erinnerte die Italiener an eine Begebenheit am Rande des G8-Treffens 2009 in den Abruzzen. Damals spazierte der Oberst mit aufgespanntem Schirm auf einer eigens für ihn gesperrten Autobahn.
Bereits beim ersten Besuch sorgte der Beduine für Turbulenzen: Damals provozierte der Oberst seine italienischen Gastgeber mit einem an die uniformierte Brust gehefteten Foto eines libyschen Widerstandskämpfers gegen die einstigen Kolonialherrn. Ein anderes Mal brachte der „Colonello“ Rom mit Anti-USA-Reden in Verlegenheit. Im Sommer 2010 erschien er nicht nur in Begleitung seiner weiblichen Leibgarde am Tiber, sondern brachte zudem 30 Berberpferde mit.
Berlusconi ließ Gaddafi im Gegenzug nahezu jede Ehre zu Teil werden. Vom Handkuss über Geschenke aller Art bis hin zum Islam-Seminar mit jungen hübschen Hostessen in Rom. Hinter der extravaganten Männerfreundschaft stehen jedoch handfeste Interessen auf beiden Seiten.
So ist Italien einer der wichtigsten Handelspartner des nordafrikanischen Staates. In zahlreichen Wirtschaftsbereichen Italiens - von Banken und Energie über Mode und Sport bis hin zur Telekommunikation - ist Libyen präsent. Mit einer Steigerung des Anteils der staatlichen Investmentgesellschaft „Libyan Investment Authority“ (LIA) auf 2,5 Prozent wurde Tripolis 2010 gar zum größten ausländischen Aktionär der italienischen Großbank UniCredit. Der umstrittene Einstieg trug letztlich auch zum Rücktritt von UniCredit-Vorstandschef Alessandro Profumo bei. Ganze zwei Drittel der libyschen Öl- und Gasexporte gehen nach Italien.
Umgekehrt ist der größte italienische Energiekonzern Eni schon seit 1959 als wichtigster Investor in Libyen präsent. 244 000 Barrel Öl fördert der Energie-Riese nach Medienberichten täglich in der nordafrikanischen Wüste. Und auch die von Gaddafi gewünschte 1700-Kilometer-Küstenautobahn soll nun federführend von Italienern in Libyen gebaut werden. Milliarden Euro sind im Spiel. Und das ist nicht alles: Auch in der für den Mittelmeeranrainerstaat Italien brennenden Flüchtlingsfrage baute Rom bisher auf Hilfe aus Tripolis.
Hatten zwischen Juli 2008 und 2009 noch rund 20 000 Migranten aus Nordafrika die winzige Flüchtlingsinsel Lampedusa erreicht, waren es im Folgejahr nur noch einige Hundert. Auf der Basis einer fragwürdigen bilateralen Sonderabmachung wurden die brüchigen Fischerkähne bis vor kurzem in libysch-italienischer Kooperation auf See abgefangen und die Bootsflüchtlinge postwendend nach Nordafrika zurückgebracht. Libyen sei weder Mitglied der Genfer Konvention noch verfüge es über ein ausreichendes Asylrecht, kritisierten internationale Hilfsorganisationen. Italiens Regierung störte das bisher wenig.