Hintergrund: Die Streitfragen im Koalitionsausschuss

Berlin (dpa) - Die Sitzung des Koalitionsausschusses am Sonntag gilt als eine der wichtigsten in der ganzen Legislaturperiode. Räumen Union und FDP ihren Streit nicht aus, wird das gemeinsame Regieren bis zur Bundestagswahl im September 2013 schwierig.

Die Konflikte:

RENTE: Die Lösung bei der Rente gilt als die komplizierteste. Die FDP will auf keinen Fall das Modell der Zuschussrente von Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU), das auch in der Union nicht als mehrheitsfähig gilt. So könnte es auf eine Variante der 1991 abgeschafften Rente nach Mindestentgeltpunkten hinauslaufen - mit Anleihen bei der Zuschussrente. Niedrigrenten könnten um 50 Prozent aufgewertet werden - bis zu einer noch zu definierenden Obergrenze im Bereich der regional unterschiedlichen Grundsicherung. Das könnten 830 Euro sein. Wer „riestert“, dürfte die Zusatzrente voll behalten. Aus Kostengründen wird es die Rentenaufwertung sicher aber nur für jene geben, die 40 Jahre in die Rentenversicherung eingezahlt haben. Zudem sollen Frauen, deren Kinder vor 1992 auf die Welt kamen, die Kindererziehungszeiten besser als mit einem Rentenpunkt pro Kind angerechnet bekommen. Derzeit sind das 28 Euro pro Monat.

BETREUUNGSGELD: Auf das Betreuungsgeld hatten sich Union und FDP eigentlich schon vor einem Jahr geeinigt. Doch die FDP will nachverhandeln. Das Betreuungsgeld sollen nach dem Willen der Union ab Januar 2013 Eltern erhalten, wenn sie für ihre Kinder zwischen dem 13. und 36. Lebensmonat kein staatlich gefördertes Angebot in einer Krippe oder bei einer Tagesmutter wahrnehmen. Zunächst soll es für Kinder im zweiten Lebensjahr 100 Euro monatlich geben, ab 2014 auch für Kinder im dritten Lebensjahr und dann für alle 150 Euro. Die FDP plädiert für „Bildungssparen“, indem das Geld auf ein Konto für die spätere Ausbildung oder ein Studium der Kinder überwiesen wird.

PRAXISGEBÜHR: Angesichts der aktuell hohen Milliarden-Überschüsse im Gesundheitssystem kämpft die FDP auf Bundesebene für die Abschaffung der Praxisgebühr. Diese beträgt zehn Euro und muss beim jeweils ersten Arztbesuch im Quartal entrichtet werden. Sie entlastet die Krankenkassen um knapp zwei Milliarden Euro im Jahr. Die CDU könnte hier einlenken, nachdem sich ihre Parteichefin, Kanzlerin Angela Merkel, für eine Diskussion offen gezeigt hatte. Die CSU hält aber an der Praxisgebühr fest. Sie würde den Versicherten lieber Geld über Beitragssenkungen zurückgeben. Die FDP kann sich auch eine Kombination aus Senkung der Beiträge und der Praxisgebühr vorstellen.

VERKEHR: Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) ringt um mehr Geld für Erhalt und Ausbau von Verkehrswegen. Eine Milliarde Euro zusätzlich hat er in der Koalition schon herausgehandelt, bei den Etatberatungen für 2013 soll es möglichst noch eine Milliarde werden. Gedanken an eine Pkw-Maut hat Merkel aber regelmäßig ausgebremst.

ENERGIE: Es ist nicht sicher, dass das Thema am Sonntag noch besprochen wird, es gilt aber als elementar für die restliche Wahlperiode. Eines der größten Probleme bei der Energiewende ist der stark steigende Strompreis. Die FDP verlangt eine schnelle Reform des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes, das garantierte Vergütungssätze für Ökostrom festgelegt. Umweltminister Peter Altmaier (CDU) will zuerst eine Verständigung mit Ländern und Opposition suchen. Inzwischen sieht aber auch Merkel dringenden Reformbedarf. Als erstes will sie die Rabatte für energieintensive Unternehmen überprüfen lassen.

HAUSHALTSKONSOLIDIERUNG: Diesen Streit haben Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und FDP-Chef Philipp Rösler schon abgeräumt. Rösler hatte zuletzt verlangt, bereits 2014 ohne neue Schulden auszukommen. Schäuble hält es allenfalls für möglich, 2014 das strukturelle Defizit auszugleichen. Dabei werden Konjunktureinflüsse und Einmaleffekte wie Milliarden-Raten für den Euro-Rettungsschirm ESM herausgerechnet. Auf diese Lesart haben sich nun beide verständigt.