Hintergrund: Diktatoren-Dämmerung in Arabien
Berlin (dpa) - Die Massenbewegungen des „arabischen Frühlings“ brachten in mehreren Ländern Langzeit-Diktatoren zum Sturz oder ins Wanken.
Einige Herrscher wie in Marokko oder Jordanien regierten mit vorsichtigen Reformen auf die Proteste, andere wie in Bahrain schlugen Widerstand mit Waffengewalt nieder oder schießen noch immer auf das eigene Volk.
TUNESIEN: Das Startsignal für Demonstrationen in Arabien war die „Jasmin-Revolution“ gegen Tunesiens Präsidenten Zine el Abidine Ben Ali. Am 19. Dezember forderten Demonstranten auf einer ersten Kundgebung Reformen. Das war der Keim zu einem Volksaufstand mit mehr als 200 Toten. Am 14. Januar floh Ben Ali nach 23 Jahren an der Macht ins saudische Exil. In einem Prozess ohne den Angeklagten verurteilte ein Strafgericht den Ex-Präsidenten im Juni wegen der Veruntreuung von Staatsvermögen zu 35 Jahren Haft sowie einer Geldstrafe und Schadenersatz von umgerechnet insgesamt 46 Milliarden Euro.
ÄGYPTEN: Nach tunesischem Vorbild demonstrierten am 25. Januar im ganzen Land Zehntausende. Die Proteste auf dem Tahrir-Platz in Kairo und in anderen Städten wuchsen immer weiter an. Am 11. Februar setzte sich Husni Mubarak nach 30 Jahren im Amt nach Scharm el Scheich ab, das Militär übernahm die Macht. Der Ex-Herrscher landete in Untersuchungshaft. Ein im April veröffentlichter Untersuchungsbericht machte Mubarak für den Tod von 846 Menschen während der Proteste mitverantwortlich. Am 3. August begann in Kairo der Prozess gegen ihn wegen Amtsmissbrauchs und Korruption.
LIBYEN: Die Protestwelle aus den Nachbarländern schwappte am 15. Februar auf Libyen über. In Bengasi kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen, Polizei und Anhängern von Machthaber Muammar al-Gaddafi. Blutige Kämpfe folgten, die zum Bürgerkrieg eskalierten. Am 19. März starteten die USA, Frankreich und Großbritannien erste Luftangriffe gegen libysche Militäreinrichtungen. Trotz immer mehr Luftschlägen der Alliierten und einem Vordringen der Rebellen weigerte sich Gaddafi abzutreten. Erst nach dem Sturm der Rebellen auf seine Hochburg Tripolis am Wochenende scheint der Diktator am Ende.
SYRIEN: Auch im Polizeistaat des Präsidenten Baschar al-Assad gingen am 18. März erstmals Tausende auf die Straße und forderten Reformen. Bei Zusammenstößen mit der Polizei wurden erste Demonstranten getötet. Die Proteste wuchsen an: Am 22. April forderten im ganzen Land 100 000 Menschen ein Ende der Gewaltherrschaft Assads. Nach Angaben von Menschenrechtsgruppen töteten Heckenschützen des Sicherheitsapparats mindestens 112 Demonstranten. Später setzte der Diktator auch die Armee ein und ließ die Opposition in mehreren Städten von Panzern und Artillerie zusammenschießen. Nach einer UN-Schätzung kamen rund 1900 Menschen ums Leben. Nach langem Zögern verurteilte der UN-Sicherheitsrat am 3. August das Regime, das Blutvergießen aber ging weiter. Skeptisch regierte die Opposition auf die Ankündigung Assads vom 18. August, künftig nicht mehr die Armee gegen Regimegegner einzusetzen.
JEMEN: Im Armenhaus auf der arabischen Halbinsel riefen Demonstranten im Januar eine Protestbewegung zum Sturz des seit 33 Jahren herrschenden Staatschefs Ali Abdullah Salih ins Leben. Mehrfach gingen Zehntausende auf die Straße. Dutzende Menschen starben, als Sicherheitskräfte auf Demonstranten schossen. Salih erholt sich in Saudi-Arabien von den Folgen eines Attentats am 2. Juni. Er lehnte bisher einen Rücktritt ab und setzte auf eine zerstrittene Opposition. Am 17. August bildeten unterschiedliche Gruppen von Regimegegnern einen „Nationalrat“, der den Widerstand gegen Salih koordinieren soll.