Hintergrund: Frankreichs Ölriese Total
Paris (dpa) - Für den französischen Energieriesen Total droht das Leck an der „Elgin“-Plattform in der Nordsee zu einem weiteren großen Desaster der Unternehmensgeschichte zu werden.
Der Aktienkurs des weltweit fünftgrößten Ölkonzerns brach bereits am ersten Tag nach Bekanntwerden der Probleme um sechs Prozent ein.
Rund sechs Milliarden Euro an Börsenwert lösten sich in Luft auf. Investoren haben die Deepwater-Horizon-Katastrophe im Golf von Mexiko vor Augen und fürchten, dass Total mit einer ähnlichen Umwelt-Katastrophe konfrontiert werden könnte wie 2010 der britische BP-Konzern. Die Verluste setzten sich am Mittwoch zunächst fort.
In Deutschland ist das 1924 gegründete Unternehmen vor allem durch seine mehr als 1000 Tankstellen bekannt. Die Total-Raffinerie in Leuna (Sachsen-Anhalt) ist die drittgrößte im Land und produziert mit einer Rohölverarbeitungskapazität von jährlich zwölf Millionen Tonnen Produkte wie Benzin, Diesel, Heizöl, Methanol oder Flugkraftstoffe.
Erfahrung mit Unglücken und Vorwürfen von Umweltschützern hat Total zur Genüge. Einen gewaltigen Schaden erlitt der Konzern durch die Havarie des Tankschiffs „Erika“ vor der französischen Atlantikküste im Jahr 1999. Sie löste eine Ölpest aus, Total zahlte rund 200 Millionen Euro für das Säubern von Stränden und für andere Wiedergutmachungsmaßnahmen. Einen Milliardenbetrag an Entschädigungen kostete Total die Explosion in einer Düngemittelfabrik bei Toulouse, die einer Tochter gehörte. 31 Menschen kamen 2001 bei der schlimmsten Chemie-Katastrophe Frankreichs ums Leben, 2500 wurden verletzt.
Umweltschützer kritisieren seit Jahren die Ölsand-Projekte des Konzerns in Ländern wie Kanada und Madagaskar. Die Treibstoffgewinnung aus der Mischung aus Ton, Silikaten, Wasser und Kohlenwasserstoffen sei die denkbar teuerste und schmutzigste, meinen Organisationen wie Greenpeace. Auch Totals Aktivitäten im westafrikanischen Nigerdelta sind ihnen ein Dorn im Auge. Die dortige Ölförderung verursacht den Kritikern zufolge erhebliche Umweltschäden. Menschenrechtler liefen bis zur politischen Wende in Birma jahrelang Sturm gegen Totals Investitionen in dem asiatischen Land. Der französische Konzern stabilisiere mit seiner dortigen Gasförderung das Militärregime, hieß es damals.
Weltweit beschäftigt Total nach eigenen Angaben mehr als 92 000 Menschen. In rund 40 Ländern werden Öl und Gas gefördert oder Vorkommen erkundet. Im vergangenen Jahr machte das Unternehmen einen Gewinn in Höhe von 12,3 Milliarden Euro. Er näherte sich damit wieder dem Rekordwert aus dem Jahr 2008. Damals verbuchte der Konzern ein Nettoergebnis von 13,9 Milliarden Euro. Um die Abhängigkeit vom Öl- und Gasgeschäft zu reduzieren, investiert Total seit Jahren auch in alternative Energien. Mittlerweile gehören die Franzosen auch im Bereich der Solarenergie zu den weltweit führenden Akteuren.
Aus den Nordsee-Gasfeldern „Elgin“ und „Franklin“ bezog Total 2011 täglich Gas im Gegenwert von 60 000 Barrel Öl (Fass je 159 Liter). Dies entspricht knapp drei Prozent der weltweiten Total-Tagesproduktion (2 346 000 Barrel) und ein Drittel der Total-Produktion in Großbritannien (169 000 Barrel).