Hintergrund: Mehrkosten und ein möglicher Prozess
Berlin/Stuttgart (dpa) - Die Grundsatzentscheidung ist gefallen: Das Bahnprojekt Stuttgart 21 soll weitergebaut werden. Doch dafür ist weiteres Krisenmanagement nötig - bei den Kalkulationen und im Verhältnis der Partner Bahn, Land Baden-Württemberg und Stadt Stuttgart.
Der bundeseigene Konzern will die beiden anderen bei der Finanzierung von zwei Milliarden Euro Mehrkosten mit ins Boot holen.
Warum wurde die Kostenprognose eigentlich erhöht?
Die Bahn hat im vergangenen Jahr jeden Posten des Großprojekts neu nachgerechnet. Dabei kam heraus, dass sie Baukosten teils zu niedrig kalkuliert und andere Posten nicht berücksichtigt hatte. Das allein summiert sich auf 1,1 Milliarden Euro. Dazu kommen weitere Risiken von 900 Millionen Euro. Der neue Finanzrahmen von jetzt 6,5 Milliarden Euro sollte nach Ansicht der Bahn ausreichen, um das Projekt selbst unter ungünstigsten Bedingungen zu vollenden - zumindest aus heutiger Sicht. Enthalten sei sogar ein Puffer von 500 Millionen Euro.
Warum richtet die Bahn eine Projektgesellschaft ein?
In einer 100-prozentigen Tochtergesellschaft will die Bahn die Verantwortung für Stuttgart 21 konzentrieren und damit für kürzere Entscheidungswege sorgen. Die GmbH soll eine eigenständige Bilanz erstellen und dem Infrastruktur-Vorstand Volker Kefer direkt berichten. Gegner des Projektes wie der linke Stuttgarter Stadtrat Hannes Rockenbauch befürchten, dass eine solche Gesellschaft als „Bad Bank“ des Konzerns fungieren könnte, um die Bahn-Bilanz zu schönen.
Wie steht das Land zu einer Beteiligung an Mehrkosten?
Die grün-rote Koalition in Baden-Württemberg ist trotz einer Volksabstimmung zugunsten des Projektes vom November 2011 in sich zerrissen: Denn die Grünen im Land stemmen sich gegen das Projekt, auch wenn ihr Ministerpräsident Winfried Kretschmann immer wieder betont, dass er sich an das Ergebnis des Referendums gebunden fühlt. Die SPD ist mehrheitlich für den Bau des Tiefbahnhofs. Die erste Reaktion der Regierungspartner kam aber gemeinsam: „Die Bahn muss alle Mehrkosten tragen, da sie Bauherrin ist.“
Wie wahrscheinlich ist es, dass die Bahn vor Gericht zieht?
Wenn die Bahn weiterhin bei Land und Stadt Stuttgart vergeblich auf eine Mitfinanzierung der Mehrkosten dringt, könnte sie mit Blick auf die „Sprechklausel“ vor Gericht ziehen. Diese kurze Passage im Finanzierungsvertrag von 2009 besagt, dass sich die Projektpartner auf Wunsch eines der Beteiligten zusammensetzen müssen, wenn das Kostenlimit von 4,5 Milliarden Euro - so wie jetzt - überschritten ist. Während das Land die Klausel lediglich als Verpflichtung zu Gesprächen interpretiert, sieht die Bahn darin eine Finanzierungsverpflichtung. Bahnchef Rüdiger Grube betonte am Dienstag seinen Willen zum Dialog.