Fertigstellung erst Ende 2024 Stuttgart 21: Noch eine Milliarde teurer und viel später
Berlin (dpa) - Das umstrittene Bahnprojekt Stuttgart 21 soll gut eine Milliarde Euro teurer werden als bisher geplant. Die Deutsche Bahn erwartet nun einen Kostenrahmen von 7,6 Milliarden Euro, wie die Deutsche Presse-Agentur aus Aufsichtsratskreisen erfuhr.
Bislang waren 6,5 Milliarden Euro vorgesehen. Zugleich verzögert sich die Fertigstellung des Projekts auf Ende 2024. Der neue Zeit- und Kostenplan soll nach dpa-Informationen auf einer Sondersitzung des Aufsichtsrats Ende Januar beschlossen werden.
Bis zuletzt hatte das Staatsunternehmen immer erklärt, dass es an dem Ziel festhalte, Stuttgart 21 und die Neubaustrecke Wendlingen-Ulm im Dezember 2021 in Betrieb zu nehmen. Im Oktober wurde eine Verzögerung im Projekt von 24 Monaten genannt, also bis Ende 2023. Nun also soll es noch ein Jahr länger dauern.
Ein Bahnsprecher wollte zu den neuen Zahlen keine Stellung nehmen und verwies auf die kommende Sitzung des Kontrollgremiums am 13. Dezember. Nach den Informationen aus Aufsichtsratskreisen wird das Thema Stuttgart 21 dabei diskutiert werden, ein Beschluss sei für diese Sitzung aber noch nicht vorgesehen, hieß es.
Die SPD im Bund forderte von der Bahn Aufklärung. Konzernchef Richard Lutz müsse nun erklären, „woher plötzlich die neuen Kostensteigerungen und die Verzögerung beim Bau kommen und ob dadurch andere Projekte in Deutschland später gebaut werden“, sagte der SPD-Verkehrsexperte Sören Bartol der dpa.
Die Grünen verlangten eine stärkere Kontrolle von Großprojekten der Bahn, die Projektgegner in Stuttgart abermals den Abbruch der Bauarbeiten. „Wir brauchen jetzt einen harten Schnitt statt eine weitere Salamitaktik bei den S-21-Kosten: Stuttgart 21 muss beendet werden“, sagte der Sprecher der Parkschützer, Matthias von Herrmann.
Als Gründe für die höheren Kosten und die spätere Fertigstellung wurden in den Aufsichtsratskreisen unter anderem gestiegene Baukosten, Verzögerungen in den Planungsverfahren und die restriktiven Regeln beim Artenschutz genannt. Dabei geht es etwa um die aufwendige Umsiedelung geschützter Eidechsen.
Die bundeseigene Deutsche Bahn hatte Ende Oktober nach einer Sitzung des Lenkungskreises angekündigt, die Kosten und den Zeitplan für das Großprojekt nochmals von Gutachtern überprüfen zu lassen. Nun liegt das Ergebnis der Expertise mit den neuen Zahlen vor. Dem Lenkungskreis gehören außer Bahn und Land auch Stadt und Region Stuttgart sowie der Stuttgarter Flughafen an.
Der bisher genannte Kostenrahmen von 6,5 Milliarden Euro für den neuen Tiefbahnhof und die Tunnelstrecken in und um Stuttgart basierte auf einem Gutachten für den Bahn-Aufsichtsrat. Das Kontrollgremium hatte 2013 eine Kostensteigerung von 4,5 Milliarden auf 6,5 Milliarden Euro genehmigt.
Ende 2016 reichte die Bahn im Streit um die Mehrkosten Klage gegen das Land Baden-Württemberg ein. Sie will damit nach eigenen Angaben verhindern, dass mögliche finanzielle Ansprüche auf eine Beteiligung der Partner an den Mehrausgaben verjähren. Das Land Baden-Württemberg will nicht mehr als die vereinbarten 930 Millionen Euro beitragen. Auch Stuttgarts Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) betonte, die Stadt bleibe bei ihrer Beteiligung von 300 Millionen Euro. „Der Kostendeckel gilt für uns“, sagte Kuhn.
Der Ausgang des Verfahrens ist offen. Bis zum 31. Januar 2018 laufe noch die Frist für eine Klageerwiderung, sagte ein Sprecher des Verwaltungsgerichts Stuttgart. Es habe noch keine mündliche Verhandlung gegeben, auch ein Termin dafür sei nicht festgelegt.
Bei dem Projekt soll aus dem Stuttgarter Kopfbahnhof ein unterirdischer Durchgangsbahnhof werden. An der Station wird seit Februar 2010 gebaut. Das Projekt hatte im Jahr 2010 für große Proteste gesorgt, Zehntausende Menschen waren dagegen auf die Straße gegangen. Im November 2011 stimmten in einer Volksabstimmung 58,8 Prozent der Teilnehmer gegen einen Ausstieg des Landes aus der Finanzierung des Bahnprojekts - und damit für Stuttgart 21.