Hintergrund: Mohamed Merah - Terrorist aus Toulouse
Paris (dpa) - Er war ein junger Mann mit zwei Gesichtern: Nach außen trat er freundlich und hilfsbereit auf, innerlich soll er enttäuscht vom Leben und fanatisiert gewesen sein.
So beschreiben Bekannte und sein Anwalt Mohamed Merah (23), der in Toulouse und Montauban sieben Menschen erschossen haben will - und dann bei einem Polizeieinsatz am Donnerstag selbst getötet wurde. Im Zuge einer Selbstradikalisierung bastelte er sich eine tödliche islamistische Ideologie, vermuten Experten.
Mohamed Merah wurde am 10. Oktober 1988 als Kind algerischer Einwanderer in Toulouse geboren. Die Mutter zieht die drei Jungen und zwei Mädchen nach der Trennung vom Vater alleine groß. Mit 14 Jahren reißt Mohamed das erste Mal von seinem Zuhause im Problemviertel Les Izards aus und beginnt die Karriere eines Kleinkriminellen: Diebstähle, Motorradfahren ohne Führerschein, Steinwürfe auf einen Bus, Beleidigungen, tätliche Angriffe. Nur Drogendelikte sollen nicht dabei sein. 2005 wird er erstmals festgenommen.
Dennoch findet der Autoliebhaber eine Lehrstelle als Karosseriebauer - die Hoffnung auf ein geordnetes Leben kommt auf. Doch ein erneuter Diebstahl bringt ihn im Dezember 2007 für 18 Monate ins Gefängnis. Dort soll er nach Erkenntnissen seines Anwalts mit radikalen Islamisten in Kontakt gekommen sein. Sein älterer Bruder gehört den Salafisten an - einer radikalen Strömung im Islam. 2010 bricht Mohamed nach Afghanistan auf, 2011 hält er sich zwei Monate in Pakistan auf. Seiner Familie erklärte er, in Algerien gewesen zu sein, berichtet „Le Monde“.
Während der langen Verhandlungen mit der Polizei in seinen letzten Lebensstunden berichtet Mohamed, im pakistanischen Waziristan von der Terrororganisation Al-Kaida ausgebildet worden zu sein. Dort habe er es abgelehnt, ein Selbstmordattentat auszuführen - sich aber bereiterklärt, ein anderes Attentat in Frankreich zu verüben, berichtet der Pariser Staatsanwalt Francois Molins. Innenminister Claude Guéant sagt, der junge Mann habe sich selbst als Mudschahedin (Gotteskämpfer) und Mitglied von Al-Kaida bezeichnet: „Sein Profil entspricht dem eines sehr entschlossenen Menschen.“
Seine Mordtaten plante Mohamed im Verborgenen. Obwohl er nach seinen Reisen nach Afghanistan und Pakistan von den Geheimdiensten beobachtet wird, gelingt es dem 23-Jährigen, ein Waffenarsenal zu horten. Am 11. März beginnt er seine Mordserie. Wie bei brutalen Gewaltvideos, die er nach Angaben der Staatsanwaltschaft häufig ansieht, filmt er alle seien Taten. Beim tödlichen Kopfschuss auf sein erstes Opfer - einen Soldaten in Toulouse - erklärt er: „Du tötest meine Brüder, und ich töte Dich.“
Am 13. März eröffnet er gezielt das Feuer auf Soldaten nordafrikanischer Herkunft in Montauban, zwei Soldaten sterben. Zwei Tage später erschießt er kaltblütig vor einer jüdischen Schule in Toulouse einen Lehrer und drei Kinder. Von den Tatorten entkommt er mit einem Motorroller.
Reue zeigte er nach Angaben des Staatsanwalts nicht - lediglich Bedauern darüber, nicht noch mehr Menschen getötet zu haben. Sein Anwalt Christian Etelin, der Mohamed seit der Jugend immer wieder vor Gericht verteidigt hatte, bedauerte das Ende: „Uns ist eine Möglichkeit entgangen, den Menschen zu verstehen.“