Hintergrund: Wahlkampfthemen im letzten Koalitionsjahr
Berlin (dpa) - Ein Jahr vor der Bundestagswahl wirft der Wahlkampf seine Schatten schon voraus. Der Ton in der Koalition ist gereizt, die Abgrenzung voneinander hat längst begonnen.
Die Arbeit von Union und SPD im verbleibenden Regierungsjahr bis zum Herbst 2017 wird davon maßgeblich beeinflusst werden. Vor allem in der Steuer-, Renten- und Flüchtlingspolitik dürfte der Wahlkampf ausgetragen werden. Was erwartet uns da?
STEUERN: Die Union hat für die Zeit nach 2017 Steuersenkungen von jährlich 15 Milliarden Euro in Aussicht gestellt. Entlastet werden sollen vor allem untere und mittlere Einkommen. SPD-Chef Sigmar Gabriel warnt vor „Steuerlügen“. Denn gleichzeitig wolle die Union ab 2020 schrittweise den Solidarzuschlag mit einem Volumen von dann 20 Milliarden Euro jährlich abschaffen. Und die Länder forderten bei der Neuordnung der Finanzbeziehungen nach 2019 vom Bund eine Kompensation von 10 Milliarden Euro jährlich. Allein dies mache zusammen 30 Milliarden Euro aus, die der Bund verliere - Geld, das ihm zur Finanzierung von Steuersenkungen fehle. Gabriel will die gesamte Abgabenlast - vor allem Sozialbeiträge - auf den Prüfstand stellen. Geringverdiener würden von sinkenden Sozialabgaben besonders profitieren. Denn anders als bei Steuern gehen von unteren Einkommen schon vom ersten Euro an rund 20 Prozent in die Sozialkassen.
RENTE: Bei der Ost-West-Angleichung der Rente sieht es nicht danach aus, dass sich Union und SPD noch auf ein Gesetz einigen können - strittig ist die Finanzierung. Ob die angekündigte Aufwertung von Minirenten - die solidarische Lebensleistungsrente - noch kommt, ist auch offen. Und die große Frage ist dann: Wie geht es weiter mit der gesetzlichen Rente? Wird am Rentenniveau gedreht oder an den Steuermitteln für die Rente oder an den Beiträgen? SPD-Sozialministerin Andrea Nahles hat ein Gesamtkonzept versprochen - doch wahrscheinlich wird das Ganze ein richtiger Wahlkampfstreit. Die Gewerkschaften wollen so lange für ein höheres Rentenniveau werben, bis die Politik sie erhört. Die Arbeitgeber warnen, Zukunft werde durch neue teure Sozialversprechen verspielt.
INTEGRATION: Nach der Aufnahme von fast einer Million Flüchtlinge allein 2015 wird die große Herausforderung deren Integration sein. Abgesehen von der Frage einer Obergrenze liegen die Schwesterparteien CDU und CSU grundsätzlich nicht weit auseinander - etwa in puncto Burkaverbot. Auch die von der CSU geforderte Abschaffung der mit der SPD eingeführten doppelten Staatsbürgerschaft könnte bei der CDU auf offene Ohren stoßen. Doch die Vorsitzenden Angela Merkel und Horst Seehofer sind in der Flüchtlingspolitik so zerstritten, dass CDU und CSU bei diesem Thema auch gegeneinander Wahlkampf machen könnten. SPD-Chef Sigmar Gabriel wirft der CSU bereits vor, Rückenwind für die AfD zu schaffen. Die SPD lehnt auch die von der Union geforderten Transitzonen ab. Ein heftiges Ringen wird es noch geben um die Einstufung der Maghreb-Staaten als sichere Herkunftsländer und damit die Möglichkeit schnellerer Abschiebungen. Bei diesem Thema ist die Koalition im Bundesrat auf die Unterstützung der Grünen angewiesen.
SICHERHEIT: Die Union reklamiert alle Fragen von Polizei, Bundeswehr und Nachrichtendiensten als Kernthema für sich. Inzwischen kann man aber den Eindruck von einem Parteien-Wettlauf darum haben, wer die meisten Polizeistellen und die beste Ausrüstung fordert. Selbst Politiker der Grünen und Linken beklagen, dass in der Vergangenheit zu viele Polizeistellen abgebaut wurden. Das Thema Sicherheit berührt die Bürger vor allem im Zusammenhang mit der Flüchtlingspolitik. Die Anschläge in Bayern und die sexuellen Übergriffe von Migranten auf Frauen in der Silvesternacht haben viele verängstigt und verunsichert. CDU, CSU und SPD werden den Menschen im Wahlkampf versprechen, alles für ihre Sicherheit zu tun - bis hin zu härteren Strafen bei Wohnungsdiebstahl (Union) und einer effektiveren Strafverfolgung und Terrorismusbekämpfung im Internet (SPD).