Hoffen auf Moskaus Milliarden: Das Ferienparadies Krim leidet

Simferopol (dpa) - Mit einer verächtlichen Handbewegung wischt Julia in ihrem kleinen Reisebüro durch die Luft. „Diese Krise bricht uns das Genick“, schimpft die zierliche Frau und legt die Stirn in Falten.

In Julias Geschäft am Rande der Innenstadt von Simferopol auf der Krim bleiben die Aufträge aus, seit Bewaffnete - vermutlich russische Soldaten - in den Straßen patrouillieren.

Schlimmer noch: „Jeden Tag gibt es Stornierungen“, berichtet die 41-Jährige. „So langsam mache ich mir Sorgen, wie ich meinen Sohn durch das Jahr bringe.“ Um 20 Prozent werde die Zahl der Urlauber einbrechen, schätzt das Tourismusministerium der Autonomen Republik am Schwarzen Meer. Russische Anbieter fürchten noch höhere Verluste.

Bisher strömen jährlich Millionen Besucher auf die idyllische Krim. Lange Strände und malerische Gebirge locken die Massen, die Preise sind vergleichsweise niedrig, das Wetter fast immer gut. In der früheren DDR war die Krim vor allem für das riesige Pionierlager Artek bekannt. Noch heute fahren Kinder und Jugendliche aus Ex-Sowjetrepubliken in Scharen auf die Halbinsel.

In der Hauptstadt Simferopol - ohnehin mit ihren oft verfallenen Straßenzügen eher ein Durchgangsort - ist die Krise noch nicht so stark angekommen. Hoteliers freuen sich vielmehr über die zahlreichen Journalisten, die zur Krisenberichterstattung anreisen. Bei frühlingshaften Temperaturen haben Cafés Stühle in der Fußgängerzone aufgestellt. Versonnen lauschen Kinder einem Akkordeonspieler.

Auf dem Dach des nahen Parlaments weht die russische Fahne. „Die Krim ist Russisch“ - so steht es auf Plakaten, die an einem Panzerdenkmal angebracht sind. So sagen es auch viele Menschen hier. Ältere Frauen schmieren Butterbrote, junge Männer, fast Teenager, mit roten Armbinden laufen herum.

„Wir wollen unsere Heimat vor den Faschisten aus der Westukraine schützen, die in Kiew Chaos stiften“, meint einer, der sich Andrej nennt. Es klingt einstudiert. Doch kein Eindringling ist zu sehen, die meisten Menschen werfen nur kurze Blicke auf die moskautreuen „Selbstverteidigungskräfte“.

„Es ist vor allem die öffentliche Aufregung, die uns die Misere mit den fehlenden Urlaubern eingebrockt hat“, meint Hotelbesitzerin Anna. Besonders die Südküste mit dem historisch bedeutenden Kurort Jalta spürt schon die Konsequenzen der militärischen Drohungen. „Von der Tourismusindustrie hängen etwa 100 000 Familien auf der Krim ab. Für sie ist die Saison 2014 der wichtigste Einnahmefaktor“, warnt der örtliche Tourismusminister Alexander Lijew. Die Verdienste aus dem Sommer reichen das ganze Jahr über - normalerweise.

Zudem ist der Krim neue Konkurrenz entstanden - viele Russen wollen lieber die neuen Bauten im heimischen Olympiaort Sotschi in Augenschein nehmen, rund 450 Kilometer Luftlinie östlich. Der neue ukrainische Regierungschef Arseni Jazenjuk wirft Moskau vor, mit dem Einsatz prorussischer Einheiten absichtlich für Angst und Verwirrung unter den Urlaubern sorgen zu wollen. „Das wirtschaftliche Fundament der Krim soll untergraben und die Touristenströme nach Sotschi umgeleitet werden“, behauptet Jazenjuk.

Nun ist die Krim auf Finanzhilfen angewiesen. Auf 35 Milliarden Rubel (708 Millionen Euro) schätzt der russische Finanzminister Anton Siluanow den Bedarf der Autonomen Republik. Schon rufen regionale Verwaltungen in Russland zu Spenden für das „Brudervolk“ auf der Krim auf. Das russische Staatsfernsehen zeigt aufgebrachte Demonstranten im sibirischen Irkutsk. Sie seien bereit, einen Teil ihrer mickrigen Renten als Hilfszahlungen beizusteuern, verkünden Pensionäre voll Pathos in die Kamera.

Auch der Kreml soll massive Hilfe planen. Zwar hat Präsident Wladimir Putin bei einem Treffen mit handverlesenen Journalisten keine Zahlen genannt. Aber der neue prorussische Krim-Vizeregierungschef Rustam Timirgalijew spricht von sechs Milliarden US-Dollar (4,4 Milliarden Euro), die Moskau schon bald beisteuern wolle.

Das freut Tourismusanbieter wie Julia zwar. Aber sie sagt auch: „Am meisten würde es uns helfen, wenn es keinen Streit mehr in unserem wunderschönen Land gäbe.“