IAAF bestätigt Sperre für russische Leichtathleten
Wien (dpa) - Keine Gnade für die skandalumwitterten russischen Leichtathleten: Die Läufer, Springer und Werfer der stolzen Sportnation dürfen nach den zahlreichen Dopingskandalen nicht an den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro teilnehmen.
Das Council des Weltverbandes IAAF verlängerte die seit November 2015 wirksame Suspendierung des nationalen Verbandes WFLA. „Das russische Anti-Doping-System ist frühestens in 18 bis 24 Monaten wieder regelkonform“, teilte die IAAF am Freitagabend in Wien mit.
„Ich freue mich über diesen Schritt. Das ist das richtige Signal für den Weltsport“, sagte Diskus-Olympiasieger Robert Harting dem TV-Sender Sport1.
Allerdings öffnete das Council auch eine Hintertür für nachweislich saubere Athleten: Der Olympia-Start einzelner Sportler unter neutraler Flagge sei möglich, sagte der Norweger Rune Andersen, der Chef der IAAF-Taskforce zur Beobachtung der russischen Reformfortschritte. Auch darüber dürften IAAF und das Internationale Olympische Komitee am kommenden Dienstag auf dem IOC-Summit in Lausanne reden.
IAAF-Präsident Sebastian Coe sprach nach der einstimmigen Entscheidung der 24 anwesenden Council-Mitglieder von einer „machtvollen Botschaft“, allerdings auch von „einem traurigen Tag für unseren Sport. Das war keine einfache Entscheidung“, erklärte der Brite. „Unser Ziel ist es nicht, so viele Länder wie möglich an den Start zu bringen, sondern so viele saubere Athleten wie möglich.“
Eine „Kollektivstrafe“ wäre nach Meinung von Andersen zwar „die leichtere Lösung“ gewesen. „Aber wir wollen den Athleten, die außerhalb des Dopingsystems stehen, die Möglichkeit für einen Olympia-Start geben - unter neutraler Flagge.“
Das russische Sportministerium reagierte unmittelbar auf die Entscheidung. Diese habe zu „einer beispiellosen Situation“ geführt, hieß es. „Die Träume vieler unserer Sportler sind wegen des falschen Verhaltens einzelner Athleten, Trainer und Experten zerstört worden.“ Zwei Stunden vor der Entscheidung hatte sich sogar Russlands Präsident Wladimir Putin noch einmal zu Wort gemeldet und eine Beteiligung des russischen Staates an Dopingvergehen von Sportlern bestritten. „Von staatlicher Seite haben wir gegen Doping im Sport gekämpft und werden das auch in Zukunft tun“, sagte Putin in St. Petersburg. „Es kann nicht sein, dass das gesamte Team die Schuld für Einzelne tragen muss“, zitierte ihn die Agentur Interfax.
„Der Ausschluss der WFLA war eine zu erwartende Entscheidung. Es war zu vermuten. Wir werden darauf reagieren“, kündigte Russlands Sportminister Witali Mutko an. Die Entscheidung der 24 anwesenden Council-Mitglieder fiel auf der Grundlage und Empfehlung einer von der IAAF eingesetzten Taskforce, die die Reformfortschritte in Russland seit Januar überwacht hat.
Der völlige Ausschluss eines Verbandes ist laut Regel 45 im Ethik-Code des Weltverbandes bei gravierenden Verstößen gegen Anti-Doping-Regularien zulässig. Die Welt-Anti-Doping-Agentur WADA hatte am 9. November 2015 einen 323-seitigen Bericht vorgelegt, der ein Schreckensbild der Doping-Praktiken in der russischen Leichtathletik zeichnet. Am 13. November suspendierte die IAAF den nationalen Verband WFLA.
„Ich halte die Entscheidung der IAAF für nachvollziehbar, konsequent und im Interesse aller Sportler, die einem gut funktionierenden Anti-Doping-Kontrollsystem unterliegen“, sagte Clemens Prokop, Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes, der Deutschen Presse-Agentur. „Der Arbeitsauftrag an den internationalen Sport lautet: Weltweit Strukturen aufzubauen, die weltweit einen glaubwürdigen Kampf gegen Doping zu gewährleisten.“
Noch nie in der olympischen Geschichte ist eine größere Zahl von Sportlern eines Landes ausgeschlossen worden. Bei den London-Spielen waren von den insgesamt 440 russischen Sportlern ein Viertel Leichtathleten. Russland war 2012 mit 18 Medaillen nach den USA die zweitstärkste Leichtathletik-Nation.