Immer mehr Unruhe im Machtkampf der Linken

Berlin (dpa) - Nach dem Rückzug von Oskar Lafontaines läuft der Machtkampf bei der Linken völlig aus dem Ruder. Parteivize Katja Kipping und die nordrhein-westfälische Landeschefin Katharina Schwabedissen wollen als weibliche Doppelspitze für einen Generationswechsel in der Parteiführung sorgen.

Linke-Chef Klaus Ernst schlug dagegen Lafontaines Lebensgefährtin Sahra Wagenknecht für die neue Führung vor. Die scheint eine Kandidatur nicht mehr auszuschließen.

Einen Durchmarsch von Fraktionsvize Dietmar Bartsch wird es jedenfalls nicht geben. Im Gegenteil: Er gerät immer stärker unter Druck, den Weg für eine weibliche Doppelspitze frei zu machen. Zum großen Showdown wird es beim Parteitag in Göttingen in knapp zwei Wochen kommen: Kampfabstimmungen gelten inzwischen als so gut wie sicher.

Im Machtgerangel mit Bartsch hatte Lafontaine am Dienstag einen Rückzieher gemacht. Am Tag danach warfen Kipping und Schwabedissen ihren Hut in den Ring. Sie wollten mit ihrer Kandidatur einen „Aufbruch in Richtung einer neuen, nicht-autoritären Linken“ erreichen, erklärten sie. Die beiden Frauen würden für einen Generationenwechsel stehen: Kipping, die vor einem halben Jahr Mutter geworden ist und ihre Babypause gerade erst hinter sich hat, ist 34 Jahre alt, Schwabedissen nur fünf Jahre älter.

Parteichef Klaus Ernst, der bisher Lafontaine unterstützte, brachte am Mittwoch dessen Lebensgefährtin ins Spiel. „Sie hat Ausstrahlung weit über die Partei hinaus. Ich halte sie für besonders geeignet als Vorsitzende“, sagte er der „Süddeutschen Zeitung“ (Donnerstag). Die stellvertretende Parteivorsitzende Wagenknecht scheint eine Kandidatur für die Parteispitze nicht mehr auszuschließen: „Ich hoffe, dass diese Variante nicht notwendig sein wird, und wir trotzdem eine gute Lösung finden“, erklärte sie auf Nachfrage der Nachrichtenagentur dpa.

Auch aus Niedersachsen und Baden-Württemberg kam Unterstützung für Wagenknecht. Niedersachsens Landtags-Fraktionschef Hans-Henning Adler schlug als Doppelspitze Wagenknecht und den Thüringer Fraktionschef Bodo Ramelow vor.

Insgesamt liegen dem Parteivorstand inzwischen acht Kandidaturen vor. Neben Bartsch, Schwabedissen, Kipping und der sächsischen Bundestagsabgeordneten Sabine Zimmermann haben sich vier weitgehend unbekannte Männer beworben.

Für die weibliche Doppelspitze kam auch aus Ostdeutschland - bisher Bartschs Machtbasis - Rückendeckung für das Frauen-Duo Kipping und Schwabedissen. Thüringens Parteichef Knut Korschewsky sagte, die beiden hätten ein „Angebot in die Zukunft“ gemacht. Die meisten Landesverbände wollten sich nicht auf ein Lager festlegen. Auch Fraktionschef Gregor Gysi blieb neutral. Nur Mecklenburg-Vorpommern, der Heimatverband Bartschs, bekannte sich klar zu dem Stralsunder. Landeschef Steffen Bockhahn warf den Unterstützern der weiblichen Doppelspitze vor, Bartsch mit allen Mitteln verhindern zu wollen.

Bartsch schloss einen Verzicht auf seine Kandidatur aus. Er habe sein Angebot bereits im November 2011 unterbreitet, und nun müsse der Parteitag am 2. und 3. Juni in Göttingen entscheiden, sagte er der dpa. „Wir müssen zurück zur Demokratie“, betonte er. Eine gemeinsame Kandidatur mit einer Frau für die Doppelspitze strebt Bartsch nicht an. „Es geht nicht darum, dass sich ein Mann eine Frau sucht. Deshalb wird das mit mir auch nicht stattfinden.“

Lafontaine hatte am Dienstag seinen Verzicht auf eine Kandidatur für den Parteivorsitz erklärt, nachdem Gysi ihm am Montag seine Unterstützung entzogen hatte. Der 68-jährige Saarländer erteilte auch der Übernahme anderer bundespolitischer Aufgaben eine Absage. Damit dürfte eine Spitzenkandidatur Lafontaines bei der Bundestagswahl 2013 nicht mehr infrage kommen.