Innenminister Jäger bleibt unter Druck

Köln (dpa) - Nach den Übergriffen von Köln sieht Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) wenig Chancen, gefasste Täter abzuschieben.

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„Das sind Menschen aus Algerien und Marokko in der überwiegenden Zahl. Selbst wenn die jetzt was begehen und sie werden verurteilt und wir könnten sie theoretisch abschieben, dann haben wir das Problem, dass die gar nicht aufgenommen werden von den Ländern“, sagte sie in der ARD-Talkrunde „Hart aber fair“ am Montagabend. „Wir kriegen überhaupt gar keine Ersatzpapiere, das heißt, wir können die gar nicht abschieben. Das sind alles Dinge, die müssen wir verändern.“

Die Regierungschefin stellte sich hinter die Kritik von Landesinnenminister Ralf Jäger (SPD) an der Kölner Polizeiführung. Er hatte der Polizeiführung gravierende Fehler in der Silvesternacht vorgeworfen: Um die Übergriffe auf Frauen zu verhindern, hätte sie auf zusätzlich verfügbare Einsatzkräfte zurückgreifen müssen. Kraft teilte die Auffassung: Als die Nacht anders verlaufen sei als erwartet, habe die Polizei keine Einsatzkräfte nachgefordert. „Und da lag das Problem.“

Dennoch bleibt Jäger unter Druck. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) warf ihm Pauschalkritik an der Kölner Polizei vor. Es müsse geklärt werden, „ob es über den Silvestereinsatz in Köln hinaus in der Polizei in NRW strukturelle Defizite gibt, die beseitigt werden müssen“, forderte der GdP-Landesvorsitzende Arnold Plickert.

Schon am Montag hatten die Oppositionsparteien CDU und FDP Jäger massiv kritisiert. CDU-Generalsekretär Peter Tauber legte ihm nun den Rücktritt nahe. „So wie er sich nun im Innenausschuss des Landtags gewunden hat, sollte er sich kritisch hinterfragen, ob er noch der richtige Mann für die innere Sicherheit im bevölkerungsreichsten Bundesland ist“, sagte Tauber der „Rheinischen Post“ (Dienstag).

Unterdessen ist die Zahl der Strafanzeigen und der namentlich bekannten Verdächtigen aus der Silvesternacht in Köln weiter gestiegen. Mittlerweile bearbeite die Ermittlungsgruppe „Neujahr“ 553 Anzeigen, wie die Kölner Polizei am Montagabend mitteilte. In etwa 45 Prozent der Fälle werde unter anderem wegen Sexualdelikten ermittelt. Bislang lägen der NRW-Polizei Hinweise auf 23 namentlich bekannte Personen vor, die für Straftaten am und im Hauptbahnhof verantwortlich sein könnten. Mit Hilfe von Videoaufnahmen und Zeugenaussagen werde geklärt, ob ihnen konkrete Straftaten zugeordnet werden könnten. Die Bundespolizei hatte wiederum 32 Verdächtige ermittelt, überwiegend Asylbewerber.

Im Zuge der Ereignisse wird nun über Gesetzesänderungen diskutiert - etwa zur schnelleren Abschiebung krimineller Asylbewerber. Die Union macht massiv Druck dafür, auch SPD-Chef Sigmar Gabriel hat sich offen gezeigt. Andere in der SPD - etwa Vize Ralf Stegner und Fraktionschef Thomas Oppermann - wollen aber nichts überstürzen.

Der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds, Reiner Hoffmann, warnte vor einem öffentlichen Stimmungsumschwung. „Inakzeptable Ereignisse wie in Köln dürfen nicht der Anlass sein, die positive Gesamtstimmung in der Bevölkerung gegenüber den Flüchtlingen kaputtzureden“, sagte er den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.

Umfragen zur Stimmung ergeben ein unterschiedliches Bild. In einer INSA-Erhebung für die „Bild“-Zeitung unter 2039 Befragten gaben 61 Prozent an, wegen der Ereignisse von Köln gegenüber der Aufnahme von Flüchtlingen kritischer geworden zu sein. Zuvor hatten in einer Forsa-Umfrage für RTL 60 Prozent das Gegenteil gesagt.

Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, sagte der „Passauer Neuen Presse“ (Dienstag): „Die Bürgerinnen und Bürger erwarten zu Recht mehr Schutz. Sie verlieren das Vertrauen in den Staat und seine Vertreter.“ Zum Vertrauensverlust trage bei, dass „Tausende Flüchtlinge ohne Registrierung nach Deutschland kommen können oder falsch beziehungsweise mehrfach unter verschiedenen Identitäten registriert werden können“.