Jens Stoltenberg: Vom Strahlemann zum Landesvater
Kopenhagen/Oslo (dpa) - Nach den Terroranschlägen in Oslo hat Norwegens Regierungschef Jens Stoltenberg endgültig das Image des optimistisch-freundlichen Strahlemanns abgelegt.
Nie zuvor seit seinem Amtsantritt 2005 musste der 52-jährige Sozialdemokrat auch nur annähernd so tragische Ereignisse bewältigen wie nach den blutigen Attacken vom Freitag mit mehreren Toten. Stoltenberg schaffte vor zwei Jahren als erster norwegischer Regierungschef seit 1993 die Wiederwahl. Seiner lange kränkelnden Arbeiterpartei bescherte er mit 35,4 Prozent ein Ergebnis, das sie ebenfalls über anderthalb Jahrzehnte nicht mehr geschafft hatte. „Jens, vi kæn!“ hatten die Anhänger mit leicht selbstironischen Anleihen bei US-Präsident Barack Obama skandiert.
Damit trat „Jens“, wie ihn in Norwegen jeder nennt, endgültig aus dem Schatten seines in Norwegen sehr populären Vaters Thorvald Stoltenberg, der Außenminister und UN-Flüchtlingskommissar war. Die Mutter Karin war auch mal Staatssekretärin, so dass die Politikerkarriere des Sohnes mit mehreren Ministerposten bis zum Sprung an die Spitze 2005 niemanden überraschte. „Der neue Landesvater“, huldigte ihm nach dem Wahlsieg 2009 die Zeitung „Dagbladet“.
Stoltenberg führt eine Mittelinksregierung, die als nicht übermäßig erfolgreich, aber doch stabil gilt. Bei der Zuwanderungs- und Ausländerpolitik hat der sozialdemokratische Regierungschef nach Meinung von Kritikern nach und nach immer mehr Positionen der rechtspopulistischen Fortschrittspartei übernommen, nachdem deren Chefin Siv Jensen in Umfragen zeitweise den Sprung über die 30 Prozent geschafft hatte.