Kampfjet-Experte: Risiken für deutsche Piloten eher gering

Berlin (dpa) - Die Regierung will „Tornado“-Aufklärungsflugzeuge in den Luftkrieg gegen die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) schicken. Für die deutschen Piloten bestehe dabei ein eher geringes Risiko, sagt Thomas Wassmann, Vorsitzender des Verbandes der Besatzungen strahlgetriebener Kampfflugzeuge.

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Im Interview der Deutschen Presse-Agentur spricht der ehemalige Waffensystemoffizier über Ausstiege aus einem Kampfjet, Distanz zum Einsatzgeschehen und was passiert, wenn ein Pilot dem IS in die Hände fallen sollte.

Frage: Wie gefährlich kann der Einsatz für die Piloten werden?

Antwort: Beim Aufklärungsfliegen sind sie schon in der ersten Reihe, also ganz vorne mit dabei, weil sie ja letztendlich zu den Zielen fliegen, die wahrscheinlich später angegriffen werden. Oder Sie machen eine „Post-Strike-Aufklärung“. Das heißt Sie gucken, was ist denn kaputt gegangen. [...] Allerdings gehe ich mal davon aus, von der Bedrohungslage, dass sie sehr hoch fliegen werden, weil die Waffensysteme am Boden wahrscheinlich nur eine gewisse Reichweite nach oben haben, so dass es recht sicher sein dürfte.

Frage: Wie trainieren die Piloten für diesen Einsatz?

Antwort: Was man grundsätzlich trainiert, ist, was muss ich beachten, wenn ich mich raus schieße. Das Rausschießen ist einfach, man zieht am Hebel oder an einer Schlaufe, und der Rest geht automatisch und irgendwann hängt man am Schirm. Man wird da sehr schnell ohnmächtig, aufgrund der Kräfte die einwirken und wacht in der Regel am Schirm auf. Und dann fangen Sie an zu gucken, ob der Schirm aufgegangen ist, ob auch nichts verheddert ist, dann schauen Sie sich das Gelände an. Wenn Sie am Boden sind, suchen Sie ihrem Kram zusammen, verstecken sich, verstecken auch den Fallschirm und fangen an, erstmal zu schauen, wo der Zweite geblieben ist. Und dann versuchen Sie, Kontakt aufzunehmen mit ihren eigenen Kräften, damit Sie denen sagen können, wo Sie sind und wo Sie abgeholt werden möchten.

Frage: Was passiert, wenn ein Pilot in die Fänge des IS gerät?

Antwort: Dann werden wir sicherlich unschöne Bilder sehen und eine ganz andere Diskussion in diesem Land bekommen. Aber jetzt gehen wir erstmal davon aus, dass das eigentlich sehr selten vorkommt und wir hoffentlich nicht davon betroffen sein werden.

Frage: Sind die Bundeswehr-Piloten davon überzeugt, dass das ein sinnvoller Einsatz ist, der jetzt gestartet wird?

Antwort: Das beurteilt der Soldat in dem Sinne nicht. Das macht er vielleicht privat, aber letztendlich ist es sein Job, er wird jetzt da hinbefohlen und dann führt er ihn aus. Sie können ja als Feuerwehrmann auch nicht sagen zu dem Brand rücke ich jetzt nicht mit aus, sondern das ist einfach so. Das wurde beschlossen und jetzt werden die Leute dementsprechend vorbereitet, ausgesucht, ausgewählt. Und die, die ausgewählt werden, gehen dann auch, wenn nicht gerade ganz große persönliche Probleme Zuhause oder irgendwas dagegen sprechen.

Frage: Haben die Piloten da auch Bilder wie aus Afghanistan im Kopf?

Antwort: Es ist ja nicht wie bei dem Soldaten, der jemanden erschießt und sieht, wie der tot umfällt oder sonstige Bilder entstehen. Letztendlich tun sie etwas und sehen, wenn überhaupt, in der Nachauswertung, was sie da angerichtet haben. Aber sie sind ja nicht ganz direkt persönlich betroffen. Und die Recces (Aufklärungsflugzeuge, Anm. d. R.) machen da ohnehin nichts kaputt. Es ist schon mit einer gewissen Distanz.

Frage: Welche Probleme sehen Sie bei diesem Einsatz?

Antwort: Eine Sache ist, wie lange werden wir da unten bleiben. Wie lange können wir das Personal und Gerät stellen. Sie haben ja die Zahlen gehört, für die sechs Flugzeuge ungefähr 500 Mann Personal. Da sind Techniker dabei, die brauchen Sie so gut wie nie, nur wenn Sie sie brauchen, dann müssen sie da sein. Also nehmen Sie das alles mit für den Fall der Fälle.

ZUR PERSON: Thomas Wassmann ist Präsident des Forums Militärische Luftfahrt und Bundesvorsitzender des Verbandes der Besatzungen strahlgetriebener Kampfflugzeuge. Der Verband vertritt Interessen von Kampfjet-Besatzungen. Der 51-jährige gebürtige Bremer ist ehemaliger Waffensystemoffizier. Dieser bildet mit dem Flugzeugführer nach Bundeswehrangaben in zweisitzigen Kampfflugzeugen wie dem „Tornado“ ein Team. Sie teilen sich die Aufgaben im Cockpit.