Klitschko: Regierung geht den Weg von Terror und Gewalt
München (dpa) - Die USA, die Nato und die Europäische Union haben der prowestlichen Opposition um Ex-Boxweltmeister Vitali Klitschko im ukrainischen Machtkampf den Rücken gestärkt.
Stellvertretend forderte US-Außenminister John Kerry auf der Münchner Sicherheitskonferenz die Führung in Russland auf, die Souveränität der Ukrainer und deren Recht auf Selbstbestimmung zu respektieren. Russlands Außenminister Sergej Lawrow warf dem Westen vor, die Proteste erst zu schüren. Er beschuldigte Oppositionelle, antisemitisch und rassistisch zu sein.
Die proeuropäische Opposition gegen die Führung von Präsident Viktor Janukowitsch geht seit Wochen im ganzen Land auf die Straße. Er hatte auf Druck Russlands ein unterschriftsreifes Abkommen mit der EU platzen lassen, das dem wirtschaftlich angeschlagenen Land geholfen hätte, sich dem Westen zu öffnen.
Neben Klitschko war in Ex-Außenminister Arseni Jazenjuk ein weiterer einflussreicher Oppositionsführer aus Kiew in München. Klitschko sprach bei einer Kundgebung in der Innenstadt und stellte sich auf dem Podium dem amtierenden ukrainischen Außenminister Leonid Koschara.
Klitschko rief seine Landsleute eindringlich zum Weitermachen auf: „Ohne Kampf gibt es keinen Sieg - deswegen müssen wir kämpfen. Und wir werden siegen. Wir wollen ein modernes europäisches Land werden, leben mit sicherer Zukunft.“ Er traf in München neben Kerry auch Außenminister Frank-Walter Steinmeier und UN-Generalsekretär Ban Ki Moon.
Koschara verwahrte sich gegen jeden Druck von außen: „Wir wollen, dass sich niemand in unsere strategische Partnerschaft mit Russland einmischt (...). Es ist nicht einfach, die Ukraine Russland zu entreißen.“ Er unterstütze friedliche Demonstranten, aber er dulde keine gewalttätigen Übergriffe auf die Polizei.
Offensichtlich nach massivem Druck auch der EU auf die Führung in Kiew sicherte Koschara dem Bundesaußenminister zu, dass der Regierungsgegner Dmitri Bulatow von diesem Sonntag an in die EU ausreisen kann. Bulatow (35) galt eine Woche lang als verschwunden und war nach eigener Aussage tagelang gequält worden. Er war am Donnerstagabend schwer misshandelt aufgefunden worden.
In der Ukraine-Debatte ging Lawrow die EU frontal an. „Was hat Aufwiegeln zunehmend gewalttätiger Proteste auf der Straße mit dem Werben für Demokratie zu tun?“, fragte er in die Runde und bestritt, es gehe um die freie Entscheidung der Ukraine. Die Nato habe schon 2007 beschlossen, die Ukraine werde eines Tages ein Mitglied. „Hier wird eine Wahl aufgezwungen. Und Russland hat damit überhaupt nichts zu tun.“
Die USA sicherten der Opposition Unterstützung zu. „Die Vereinigten Staaten und die EU stehen in diesem Kampf auf der Seite des ukrainischen Volkes“, sagte Kerry. Die Ukrainer wollten ihre Zukunft nicht in die Hände eines einzigen anderen Volkes legen.
Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen sagte, Russland missachte das Recht eines Staates, selbst über seine Bündnisse zu entscheiden. „Die Ukraine muss frei ihren europäischen Weg ohne ausländischen Druck einschlagen dürfen.“
Ungeachtet der Differenzen mit Russland machten sich Steinmeier und Rasmussen für gute Beziehungen mit Moskau stark. Für Deutschland sei es eine wichtige Aufgabe, das Verhältnis konstruktiver zu gestalten, sagte Steinmeier. Konflikte wie in Syrien oder mit dem Iran könnten ohne Moskau nicht gelöst werden.
Russlands Außenminister Lawrow warf der Nato vor, sein Land zu bedrohen: „An der östlichen Grenze wird die militärische Infrastruktur (der Nato) ausgebaut.“
US-Verteidigungsminister Chuck Hagel verteidigte die Pläne für eine Raketenabwehr in Europa. „Da stehen unsere Werte und unsere Interessen auf dem Spiel“, sagte er.
Auch der Bürgerkrieg in Syrien war Thema in München. Die Vereinten Nationen zeichneten ein dramatisches Bild. „Die Lage in Syrien ist schlimm, und sie wird schlimmer“, sagte UN-Vermittler Lakhdar Brahimi am späten Freitagabend. UN-Flüchtlingskommissar Antonio Guterres sagte: „Ich habe keinen Zweifel, dass der Syrien-Konflikt die schlimmste humanitäre Krise mindestens seit dem Völkermord in Ruanda ist.“
Nach der NSA-Spähaffäre, über die weder Hagel noch Kerry öffentlich ein Wort verloren, warben beide bei den ausgespähten europäischen Partner für eine Renaissance der transatlantischen Beziehungen - wirtschaftlich und militärisch.
Ein Höhepunkt zum 50. Geburtstag der Konferenz war am Samstag eine Gesprächsrunde über Sicherheitspolitik mit Altkanzler Helmut Schmidt (95), Frankreichs Ex-Präsident Valéry Giscard d'Estaing (87), Ex-US-Außenminister Henry Kissinger (90) und Egon Bahr (91), „Erfinder der Ostpolitik“.
Ein Großaufgebot von über 3000 Polizisten sichert die Veranstaltung im Hotel Bayerischer Hof, die am Sonntag endet.
Schätzungsweise 2500 Menschen demonstrierten gegen die Sicherheitskonferenz, wie die Polizei mitteilte. Die Veranstalter hatten 5000 Demonstranten erwartet. Die Gegner werfen den Teilnehmern vor, auf militärische Drohungen und Gewalt zu setzen. Transparenten forderten sie „Friedenspolitik statt Kriegspolitik“ und reimten „NATO = Nahtod“.