Kommandoaktion Israels im Gazastreifen
Tel Aviv/Gaza (dpa) - Fünf Tage nach Beginn der israelischen Luftangriffe gegen militante Palästinenser hat erstmals eine Kommandoeinheit am Boden eingegriffen.
Die Aktion wird als mögliche Vorstufe einer größeren Bodenoffensive Israels gewertet. Die Zahl der Opfer steigt praktisch stündlich - auf zuletzt mindestens 166 Tote und 1120 Verletzte im Gazastreifen. Angesichts der dramatischen Ereignisse kommt die internationale Krisendiplomatie in Fahrt.
Die Elitetruppen landeten in der Nacht zum Sonntag an der Küste des Gazastreifens und gingen gegen Abschussrampen vor. Von dort sollen Raketen mit größerer Reichweite auf Israel abgefeuert worden sein. Bei Schusswechseln mit palästinensischen Milizen wurden nach Armeeangaben vier Soldaten verletzt, bevor sich das Kommando wieder zurückzog.
Am Sonntag wollten die Außenminister Deutschlands, der USA, Großbritanniens und Frankreichs am Rand der Atomgespräche in Wien zusammentreffen, um Möglichkeiten für eine Waffenruhe zu erkunden. Montag und Dienstag wird Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier zu einer Vermittlungsinitiative im Nahen Osten erwartet.
Die Arabische Liga berief für Montag eine Dringlichkeitssitzung in Kairo ein. Der UN-Sicherheitsrat in New York kommt ebenfalls am Montag zu einer weiteren Sondersitzung zusammen. Die 15 Mitglieder des höchsten UN-Gremiums hatten sich bereits am Samstag extrem besorgt über die Eskalation der Gewalt gezeigt und eine Waffenruhe gefordert.
Kinder und Frauen sind die Leidtragenden der militärischen Auseinandersetzungen. Ein 14-Jähriger sei bei dem Beschuss des nördlichen Gazastreifens ums Leben gekommen, teilte der Sprecher der örtlichen Rettungsdienste, Aschraf al-Kidra, über Twitter mit. Auch eine 80-Jährige sei unter den neuen Opfern. Der israelische Rundfunk meldete, in der Küstenstadt Aschkelon sei ein Jugendlicher von Raketentrümmern schwer verletzt worden. Tote gab es auf israelischer Seite nicht.
In Vorbereitung größerer Angriffe rief Israels Armee am Sonntag die Einwohner des nördlichen Gazastreifens über Flugblätter dazu auf, ihre Wohngebiete bis zum Mittag zu räumen. Die meisten Raketen auf Israel würden aus dieser Gegend um Beit Lahia abgefeuert, erklärte der israelische Militärsprecher Peter Lerner.
Am Morgen gab es wieder Raketenangriffe militanter Palästinenser, unter anderem auf den internationalen Flughafen Ben Gurion bei Tel Aviv. Die Raketenabwehr fing die Geschosse ab, andere landeten auf unbewohntem Gebiet.
Bei einem Luftangriff auf das Haus des Polizeikommandeurs von Gaza waren am Samstagabend mindestens 18 Menschen getötet worden. Sie gehörten den Angaben zufolge zur Familie des Polizeichefs Taisir al-Batsch. Der Kommandeur selbst wurde schwer verletzt. Auch eine benachbarte Moschee wurde bei dem Bombardement getroffen.
Israel hatte am 8. Juli mit massiven Luftangriffen im Gazastreifen begonnen, um den Raketenbeschuss israelischer Orte durch militante Palästinenser zu unterbinden. Seit Beginn der Offensive bombardierte die Armee nach eigenen Angaben 1320 Ziele in der Mittelmeer-Enklave. Gleichzeitig gingen demnach mehr als 800 Raketen der Hamas auf israelischem Gebiet nieder, rund 140 davon seien von der Raketenabwehr in der Luft abgefangen worden, sagte Armeesprecher Peter Lerner.
Kämpfer der radikal-islamischen Hamas im Gazastreifen feuerten am Samstagabend erneut mehrere Raketen auf Tel Aviv, Jerusalem und andere Ziele in Israel ab. Dort heulten am Abend und in der Nacht wieder die Sirenen. In Tel Aviv waren mehrere Detonationen zu hören - offenbar die Abschussgeräusche des Abwehrsystems „Eisenkuppel“.
Die Kassam-Brigade, der militärische Arm der Hamas, hatte die Angriffswelle zuvor über SMS-Botschaften und via Twitter angekündigt. Damit sollte der Tod eines Neffen des führenden Hamas-Politikers Ismail Hanija vergolten werden. Er war am Samstag bei einem israelischen Luftangriff ums Leben gekommen.
Am Samstagabend wurden laut Armee zudem erneut zwei Raketen vom Libanon aus auf Israel abgeschossen. Sie landeten nördlich der Stadt Naharija auf freiem Feld.
Die Bemühungen um einen Nahost-Frieden unter amerikanischer Vermittlung waren im April gescheitert. Auslöser der jüngsten Eskalation der Gewalt waren die Entführung und Ermordung von drei israelischen Teenagern und der mutmaßliche Rachemord an einem palästinensischen Jungen. Eine 2012 vereinbarte Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas, die seit 2007 im Gazastreifen herrscht, wurde daraufhin endgültig Makulatur.