Komplizierte Griechenland-Rettung: Die Zeit läuft ab
Berlin (dpa) - Das Zeitfenster für ein zweites Griechenland-Hilfspaket wird von Tag zu Tag kleiner. Zugleich wachsen angesichts der Widerstände in Griechenland und der schleppenden Umsetzung des Reform- und Sparprogramms die Zweifel, dass Athen auch mit neuen Milliarden aus dem Schlamassel kommt.
In nur wenigen Tagen müssen mehrere Hürden genommen und ein komplexes Hilfspaket mit derzeit noch vielen Unbekannten geschnürt werden.
Warum ist eine Gesamtlösung so kompliziert?
Athen muss sich nicht nur mit privaten Banken und Geldgebern über den Schuldenschnitt einigen. Die führenden politischen Parteien des Landes müssen den Euro-Partnern und dem IWF zusätzliche Einsparungen zusagen. Außerdem müssen sie sich klar dazu bekennen, die bisher nicht eingehaltenen Reformen endlich umzusetzen. Die Zeit drängt: Bis zum 20. März muss frisches Geld fließen, da Athen dann 14,5 Milliarden Schulden begleichen muss.
Was bedeutet eine Reform-Zusage der griechischen Parteien?
Sie ist eine wichtige Bedingung für das zweite Hilfspaket von bisher 130 Milliarden Euro. Die Kontrolleure der „Troika“ aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) verlangen nicht nur, dass Athen den Rückstand bei den bisherigen Spar- und Reformprogrammen aufholt. Die führenden politischen Parteien in Athen müssen auch schriftlich zusätzlichen Maßnahmen zustimmen. Denn im Frühjahr wird in Griechenland gewählt und die Übergangsregierung abgelöst. Der Wahlsieger soll sich dann nicht aus der Verantwortung stehlen und vom Sparpakt distanzieren können.
Muss das zweite Hilfspaket aufgestockt werden?
Das hängt davon ab, wieviel Geld am Ende beim angestrebten freiwilligen Schuldenerlass durch die privaten Banken und Investoren zusammenkommt. Zumal 30 Milliarden der 130 Milliarden Euro der öffentlichen Hand als Anreiz dafür gedacht sind, den privaten Geldgebern den Anleihetausch zu „versüßen“. Sie sollen nach bisherigem Stand auf bis zu 75 Prozent ihrer Forderungen verzichten und alte Griechenland-Anleihen durch neue, länger laufende und niedriger verzinste Hellas-Schuldtitel umtauschen. Das soll die Schuldenlast um 100 Milliarden Euro drücken. So soll auch erreicht werden, dass es Athen bis zum Jahr 2020 schafft, seine Schulden wieder aus eigener Kraft abzahlen zu können.
Ist der 100-Milliarden-Schuldenerlass denn schon sicher?
Nein. Es ist völlig offen, welche Banken, Versicherer oder Hedgefonds mitziehen und ob die erhoffte Summe zusammenkommt. Wenn nicht, müssten die Euro-Staaten ihre Hilfe nochmals aufstocken - über die 130 Milliarden Euro hinaus. Auch die Europäische Zentralbank (EZB) könnte über den Euro-Rettungsfonds EFSF am Schuldenschnitt beteiligt werden. Bis Montag (13. Februar) muss Athen ein offizielles Angebot für den Anleiheumtausch vorlegen. Die Zeit ist knapp. Denn die technische Umsetzung des Anleiheumtauschs kann Wochen dauern. Erst dann steht fest, wie hoch die Privatsektorbeteiligung ausfällt.
Hat Griechenland noch Spielraum für Reformen?
Aus Sicht der Geldgeber durchaus. So sei der Anteil des öffentlichen Dienstes an der Gesamtbeschäftigung mit Abstand größer als in anderen Euro-Ländern. Auch seien die Löhne für Staatsdiener noch relativ hoch. Die Steuerverwaltung funktioniere nach wie vor nicht, an das riesige Auslandsvermögen komme der Staat nicht heran. Der Verteidigungsetat sei enorm aufgebläht, und bisher habe es keine echten Privatisierungsanstrengungen gegeben. Andere Euro-Krisenländer wie Italien, Portugal oder Irland seien viel erfolgreicher bei der Sanierung.
Sind eine Pleite und ein Austritt aus der Euro-Zone nicht besser?
Ein Rauswurf Griechenlands aus dem Euro-Club ist rechtlich nicht möglich. Athen müsste von selbst austreten. Dass die Europäer diese Option öffentlich immer wieder betonen, soll den Druck erhöhen, dass die Griechen doch noch eine strenge Haushaltsüberwachung zulassen. De facto ist Athen schon zahlungsunfähig und hängt am Tropf der internationalen Geldgeber. Die Euro-Partner wollen Griechenland bisher aber nicht fallen lassen. Bleibt das Land in der Euro-Zone, besteht aber die Gefahr einer echten Transferunion, die es eigentlich nach den EU-Verträgen nicht geben darf. Bei einem Austritt könnte Athen die alte Währung Drachme wieder einführen, die sofort massiv abwerten würde, so dass Exporte billiger und griechische Produkte wettbewerbsfähiger würden. Allerdings rechnen Experten bei einem Austritt mit unabsehbaren Folgen: Beispielsweise könnten Sparer beginnen die Banken zu stürmen.