Krim-Krise alarmiert osteuropäische Länder

Warschau/Riga (dpa) - Die Aktionen prorussischer Uniformierter auf der ukrainischen Schwarzmeer-Halbinsel Krim beunruhigen die osteuropäischen Staaten. Manche fühlen sich an Zeiten im Kalten Krieg erinnert.

Doch auch wirtschaftliche Interessen treiben die Länder um.

POLEN hat sich als Nachbar der Ukraine früh an die Spitze der Initiativen gegen Russland gestellt. Präsident Bronislaw Komorowski forderte wegen des russischen Eingreifens in der Ukraine „Konsultationen gemäß Artikel 4 des Nato-Vertrages“. Dieser regelt das Vorgehen, wenn ein Mitgliedstaat die Unversehrtheit des Nato-Gebiets oder die Sicherheit bedroht sieht. Die Sicherheit Polens sei zwar nicht direkt bedroht, Russland habe aber zweifellos das Völkerrecht gebrochen, sagte Komorowski.

TSCHECHIEN - Die Mitte-Links-Regierung in Prag verurteilte die „schleichende Besetzung“ der Schwarzmeer-Halbinsel Krim als einen Akt der Aggression. Er erinnere an den Sowjet-Einmarsch in Prag 1968. Der russische Botschafter wurde ins Außenamt zitiert, der nationale Sicherheitsrat kam zusammen. Auf EU-Ebene plädiert Tschechien für ein härteres Vorgehen gegen Russland und fordert einen sofortigen Stopp der Verhandlungen über Visa-Erleichterungen. Wirtschaftliche Sanktionen lehnt Ministerpräsident Bohuslav Sobotka ab, weil sie beide Seiten treffen würden.

BALTIKUM - Nach dem russischen Vorgehen in der Ukraine wächst auch die Sorge in den drei kleinen Baltenstaaten ESTLAND, LETTLAND und LITAUEN. Unmittelbar nach Beginn der Krim-Krise riefen sie ihre Nationalen Sicherheitsräte ein und verurteilten in scharfer Tonlage das Vorgehen Moskaus. Führende Politiker kritisierten auch die Reaktion der internationalen Gemeinschaft im Ukraine-Konflikt mitunter als „zögerlich“, „zu langsam“ und „feige“.

In allen drei Ländern diskutiert die Öffentlichkeit, inwieweit der Westen tatsächlich bereit wäre einzugreifen, sollte Russland etwa zum Schutz der starken russischen Minderheiten in Estland und Lettland ins Baltikum einmarschieren. Dabei überwiegt die Überzeugung, dass das militärische Machtstreben des Kremls an den Grenzen der drei EU- und Nato-Länder haltmachen würde. Auf dem litauischen Militärflugplatz in Zokniai wollen die USA auf gemeinsame Bitte der drei Länder hin zusätzliche Kampfjets für die Nato-Mission zur Sicherung des baltischen Luftraums stationieren.

Die SLOWAKEI befindet sich als direktes Nachbarland der Ukraine in einer Zwickmühle. Einerseits verurteilte Regierungschef Robert Fico den russischen „Bruch des Völkerrechts“ und betonte mehrfach, sein Land werde alle Maßnahmen der EU gegen Russland mittragen. Auch an einer OSZE-Inspektionsgruppe in der Ukraine beteiligt sich die Slowakei. Andererseits würden Wirtschaftssanktionen auch die Slowakei selbst treffen. Nicht nur wegen ihrer Abhängigkeit von russischen Gasimporten, sondern auch weil der russische Markt für slowakische Firmen - allen voran Volkswagen Slovakia als größter Exporteur - immer wichtiger wird.

BULGARIEN fürchtet wegen des Ukraine-Konflikts um seine Energielieferungen aus Russland. Ein Krisenstab wurde einberufen, um die Risiken zu erörtern. Das EU-Land ist im Energiebereich noch immer fast komplett von Russland abhängig. Die Regierung der Sozialisten wollte wohl deswegen eine Stellungnahme zum Ukraine-Konflikt abwarten und sehen, was der EU-Sondergipfel beschließt. Der bürgerliche Staatschef Rossen Plewneliew verurteilte dagegen die „Anwendung militärischer Gewalt zur Okkupation von fremden Staatsgebieten“.

UNGARN - Die Regierung in Budapest ist sichtlich um einen zurückhaltenden Ton in Bezug auf die russische Rolle in der Ukraine-Krise bemüht. Nur das Außenministerium kritisierte Russland, allerdings wohl bewusst nicht als Einzelstimme, sondern in einer gemeinsamen Stellungnahme der Visegrad-Staaten, zu denen neben Ungarn auch Polen, Tschechien und die Slowakei gehören. In der Stellungnahme wurde auch auf die sowjetischen Interventionen von 1956, 1968 und 1981 in diesen Ländern verwiesen.

RUMÄNIEN - Staatspräsident Traian Basescu hat Russland, insbesondere Präsident Wladimir Putin, im Lauf der Jahre immer wieder heftig öffentlich kritisiert. Basescu verwies darauf, dass mit dem Krim-Konflikt nach Transnistrien ein neuer Krisenherd in der Region entstehe. „Mittelfristig“ könne dies auch die Sicherheit Rumäniens gefährden. Rumänien habe mit 362 Kilometern die längste Grenze zur Ukraine und sei in einer Entfernung von knapp 300 Kilometern das der Krim nächste EU-Land. Die Position Bukarests ist betont pro-amerikanisch. Ein Teil des geplanten US-Raketenschutzschilds soll in Rumänien aufgestellt werden.

REPUBLIK MOLDAU - Der moldauische Ministerpräsident Iurie Leanca sagte dem Sender Freies Europa nach Angaben der rumänischen Nachrichtenagentur Mediafax: „Die Spannungen zwischen den Pro-Russen auf der Krim und den Pro-Europäern in der Ukraine erinnern an den separatistischen Konflikt in Transnistrien.“ Moldauische Medien berichteten, die in Transnistrien stationierten russischen Soldaten seien im Zuge des Ukraine-Konflikts in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt worden.