Krim-Regierungschef verteidigt Machtübernahme
Kiew/Berlin/Moskau (dpa) - Der neue prorussische Krim-Regierungschef Sergej Aksjonow hat die Machtübernahme auf der Schwarzmeer-Halbinsel verteidigt.
In Kiew auf dem Maidan hätten Politiker zuletzt das ukrainische Volk aufgerufen, die Macht in die eigenen Hände zu nehmen. Was für die Hauptstadt gelte, müsse auch für die Autonome Republik Krim gelten, sagte Aksjonow in einem am Montag veröffentlichten Interview der Zeitung „Rossijskaja Gaseta“. Die Halbinsel, die auch Sitz der russischen Schwarzmeerflotte ist, steht seit dem Wochenende voll unter Kontrolle moskautreuer Kräfte.
Angesichts der gefährlichen Lage sollten in Brüssel am Montag die Außenminister der EU zu einer Sondersitzung zusammenkommen. Der russische Ressortchef Sergej Lawrow besprach sich mit seinem chinesischen Kollegen Wang Yi. Die beiden UN-Vetomächte seien sich „in weiten Teilen einig“, teilte das Außenamt in Moskau nach dem Telefonat mit. Zuletzt hatten Russland und China in der Syrien-Krise Beschlüsse des Weltsicherheitsrats verhindert. Lawrow wurde am Montag zu einer Sitzung des UN-Menschenrechtsrates in Genf erwartet.
Die Ölpreise stiegen wegen der Sorge vor einer weiteren Verschärfung der Lage kräftig. Ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent zur Lieferung im April kostete im frühen Handel 110,67 US-Dollar. Das waren 1,60 Dollar mehr als am Freitag und dürfte viele zusätzliche Millionen in die Kassen der Rohstoffmacht Russland spülen. Andererseits riss die sich zuspitzende Situation in der Ukraine den russischen Aktienmarkt tief ins Minus. Der in US-Dollar berechnete RTS-Index brach im frühen Handel um mehr als zehn Prozent ein.
Die internationale Gemeinschaft schickte angesichts der militärischen Drohungen aus Moskau ein diplomatisches Warnsignal an den Kreml. Die sieben führenden Industrienationen der Welt (G7) setzten in der Nacht alle Vorbereitungstreffen für den G8-Gipfel mit Russland im Juni in Sotschi aus. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) warf Präsident Wladimir Putin in einem Telefonat vor, mit der „unakzeptablen russischen Intervention auf der Krim gegen das Völkerrecht verstoßen zu haben“. US-Präsident Barack Obama erörterte unter anderem mit Merkel und dem britischen Premier David Cameron weitere Schritte.
Die sieben führenden Industriestaaten (G7 - USA, Kanada, Frankreich, Deutschland, Großbritannien, Italien und Japan) verurteilten das russische Vorgehen als „klare Verletzung der Souveränität und territorialen Integrität der Ukraine“ und Verstoß gegen internationale Verpflichtungen.
Die G7-Staaten und die EU riefen Moskau auf, etwaige Sicherheits- oder Menschenrechtsbedenken in Kiew anzusprechen oder eine Vermittlung oder auch Beobachtung der Vereinten Nationen oder der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) zu akzeptieren. Die OSZE-Mitglieder kamen am Sonntagabend in Wien zu einer Sondersitzung zusammen und setzten am Montag ihre Gespräche fort. Dabei geht es unter anderem um die Frage, ob und wie die OSZE eine Mission entsenden könnte, sagte ein anwesender Diplomat der dpa.
Russland hatte zuletzt mit einem Militäreinsatz gegen die Ukraine gedroht, um die Lage auf der Halbinsel Krim zu stabilisieren. Einen offiziellen Marschbefehl gab es aber noch nicht. Russische Staatsmedien meinten, dass eine „Normalisierung“ der Lage bereits durch die Drohung erreicht worden sei.
Das russische Militär hat inzwischen nach US-Erkenntnissen „totale operative Kontrolle“ auf der Krim. Zu den Streitkräften auf dem Boden zählten 6000 Fallschirmjäger und Marinesoldaten, sagte ein hoher US-Regierungsbeamter. Weitere Verstärkungen würden eingeflogen.
Putin akzeptierte nach Darstellung der Bundesregierung Merkels Vorschlag, eine „Fact finding mission“ (Untersuchungsmission) zu starten. Außerdem solle eine Kontaktgruppe gebildet werden, um einen politischen Dialog zu beginnen. Auch die Nato regte die Entsendung internationaler Beobachter an.
Merkel und Obama waren sich einig, dass Putin mit einer Intervention auf der Krim gegen das Völkerrecht verstoße. Wie der stellvertretende Regierungssprecher Georg Streiter in der Nacht zum Montag mitteilte, betonten beide, dass nur eine politische Lösung geeignet sei, die Probleme zu lösen. US-Außenminister John Kerry wollte zur Unterstützung der Ukraine im Konflikt mit Moskau nach Kiew reisen. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon schickte am Sonntag seinen Stellvertreter Jan Eliasson in die Ukraine.