Neue Route Kroatien lässt Flüchtlinge durch - Bund plant Verteilzentren
Zagreb/Berlin (dpa) - Nach Abriegelung der ungarischen Grenze zeichnet sich eine neue Flüchtlingsroute über den Balkan ab. Regierungschef Zoran Milanovic kündigte in Zagreb an, aus Serbien einreisende Flüchtlinge dürften sein Land auf ihrem Weg nach Westeuropa passieren.
Am Mittwochvormittag griff die kroatische Polizei die ersten rund 150 Menschen an der Ostgrenze des EU-Landes auf. Im Laufe des Tages werden Hunderte weitere erwartet. „Sie können durchreisen, und wir bereiten uns auf diese Möglichkeit vor“, sagte der Sozialdemokrat im Parlament.
„Diese Leute sind da, es sind Frauen, Kinder und Männer, die leben und etwas erreichen wollen“, so Milanovic. Es seien jedoch Menschen, die nicht in Kroatien leben wollten. Nachdem Ungarn seine Grenzen geschlossen hat, wird damit gerechnet, dass die Flüchtlinge versuchen, über Kroatien und Slowenien in Richtung Österreich und Deutschland weiterzukommen.
Um das Entstehen neuer Flüchtlingsrouten aus der Türkei zu verhindern, erhöht Griechenland seine Überwachungsmaßnahmen entlang des Flusses Evros an der Landesgrenze im Nordwesten. Ein Polizeioffizier bestätigte entsprechende Medieninformationen. Zunächst soll ein gut zehn Kilometer langer Zaun verstärkt und repariert werden.
In Ungarn kommen inzwischen kaum noch Flüchtlinge an. Am Dienstag zählte die Polizei nur noch 366 illegal eingewanderte Menschen, wie sie am Mittwoch mitteilte. Kurz vor Torschluss am Montag waren es noch 9380 Flüchtlinge gewesen.
Österreich kontrolliert seine südlichen und östlichen Grenzen wieder und reagiert damit auf den Andrang von Flüchtlingen, der sich wegen der harten Linie Ungarns in den vergangenen Tagen nochmal erheblich verstärkt hatte. Kontrolliert werden soll an der ungarischen, der italienischen, der slowenischen und der slowakischen Grenze. Am Salzburger Hauptbahnhof galt die Situation als angespannt. Derzeit hielten sich dort rund 2000 Flüchtlinge auf, 1200 hätten die Nacht in der Tiefgarage des Bahnhofs verbracht, hieß es.
Die Zahl der Flüchtlinge, die von Österreich nach Deutschland kommen, stieg zuletzt wieder. Unter anderen wurden entlang des Grenzflusses Inn in den Landkreisen Passau und Rottal-Inn seit Dienstag mehr als 1000 Flüchtlinge aufgegriffen. Sie waren zu Fuß über Brücken und Stauwehre auf die deutsche Seite gelangt. Auch am Münchner Hauptbahnhof machte die Bundespolizei im Vergleich zu Wochenbeginn wieder eine deutliche Zunahme aus. Ein Sprecher sagte, allein bis 8.00 Uhr seien rund 700 Menschen angekommen.
Unterdessen weckte das Treffen mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am Dienstagabend bei den Ministerpräsidenten der Länder weitreichende Erwartungen für den Flüchtlingsgipfel am Donnerstag kommender Woche. So sagte die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD), die angekündigte Bereitstellung von 40 000 Erstaufnahmeplätzen für Flüchtlinge durch den Bund sei „sehr hilfreich“. Die Mainzer Regierungschefin sagte dem Deutschlandradio Kultur aber auch: „Ich hätte mir natürlich gewünscht, dass der Bund an der einen oder anderen Stelle schon viel konkreter geworden wäre.“
Der Bund will die Länder bei der Erstaufnahme und Verteilung von Flüchtlingen in Deutschland stärker entlasten - darauf verständigten sich Merkel und die Ministerpräsidenten am späten Abend bei dem rund vierstündigen Sondertreffen mit mehr als 70 Teilnehmern in Berlin. „Der Bund wird gemeinsam mit den Ländern in Zukunft nach dem „Königsteiner Schlüssel“ auch die Verteilung der Flüchtlinge auf die einzelnen Länder managen“, kündigte Merkel an. So sollten Verteilzentren geschaffen werden: „Solche Drehkreuze sind notwendig.“ Die Bundeswehr sei bereit, verstärkt Personal bereitzustellen.
SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann ging im ZDF davon aus, dass die von der Bundesregierung zugesagten drei Milliarden Euro Sonderhilfe an die Länder für 2016 nicht ausreichen. Dies gelte auch für eine Milliarde Euro Unterstützung 2015.
Das Kabinett beschloss am Mittwoch die Ausweitung des Bundeswehreinsatzes gegen Schleuser im Mittelmeer. Bis zu 950 Soldaten sollen künftig Schiffe von Menschenschmugglerbanden stoppen und zerstören dürfen.