Löws Glücksgriffe: Gomez knipst - Hummels erobert die Abwehr
Lwiw/Danzig (dpa) - So sehen Sieger aus. Der schon zur Auswechslung aufgerufene Mario Gomez konnte sich nach seinem Premierentor für Deutschland bei einem großen Turnier doch noch als Matchwinner feiern lassen.
„Er war der entscheidende Faktor, dass wir gewonnen haben“, sagte selbst Mats Hummel. Dabei war der Dortmunder EM-Debütant im Grunde der größte Gewinner beim zähen 1:0-Auftaktsieg in Lwiw gegen Portugal gewesen.
In seinem 15. Länderspiel feierte der 23-Jährige als Turm in der Deckung womöglich sogar seine Geburtsstunde als Abwehrchef - und das im Trikot mit der legendären Nummer 5 von Fußball-„Kaiser“ Franz Beckenbauer. „Nach einem Spiel ist die Geschichte für einen persönlich und für die Mannschaft noch nicht geschrieben“, wiegelte Hummels jedoch am Sonntag in Danzig nach einer kurzen Nacht ab.
„Mario hat das Tor gemacht, Mats hat überragend gespielt. Damit haben beide ihre Aufstellung gerechtfertigt“, lobte Sami Khedira kurz und präzise die zwei personellen Glücksgriffe von Joachim Löw. Der Bundestrainer hatte keine Rücksicht auf die großen Verdienste von Geburtstagskind Miroslav Klose (34) und des bisherigen Abwehrchefs Per Mertesacker genommen, sondern voll auf die Torquote von Gomez und das Sieger-Gen des Dortmunder Double-Gewinners Hummels gesetzt.
„Mats Hummels kam mit Rückenwind aus der Meisterschaft, mit guten Leistungen und vor allem mit Spielpraxis. Per Mertesacker war einige Monate ohne Wettkampf“, erläuterte Löw die Abwehrentscheidung. Und Gomez habe beim FC Bayern im Gegensatz zu Klose „das ganze Jahr gespielt und viele Tore gemacht“. Der Münchner sei natürlich ein ganz anderer Stürmertyp als der spielstarke Klose, aber Gomez erledigte den Job, der ihn auszeichnet, betonte Löw: „Eine Chance - ein Tor!“
Eigentlich musste Gomez nach seinem 45. Treffer im 58. Pflichtspiel der Saison dem vierten Offiziellen Marcin Borski aus Polen dankbar sein. Denn als der Torjäger in der 72. Minute die Flanke von Khedira lehrbuchmäßig ins lange Eck köpfte, stand Konkurrent Klose längst an der Seitenlinie parat. „Wir wollten schon zwei Minuten früher auswechseln. Aber der vierte Schiedsrichter hat so lange gebraucht, das anzuzeigen“, schilderte Löw entspannt.
Ein Segen für Gomez. Eine Auswechslung - und auch sein drittes großes Turnier wäre für den sensiblen Münchner womöglich schon wieder gelaufen gewesen. „Ich habe gedacht, eine Chance kriegst du noch. Und genau so ist es gekommen“, erzählte der Torschütze. „Der Ball war abgefälscht bei der Flanke und kam mir genau auf den Schädel, da war es nicht mehr so schwierig“, schilderte er seinen triumphalen Moment.
„Mario ist in solchen Momenten im Sechzehner unglaublich“, bemerkte Kapitän Philipp Lahm und sprach von einem auch für Gomez „persönlich wichtigen Tor“. Jetzt ist plötzlich der jahrelange Platzhirsch Klose in der Rolle des Herausforderers. „Mario ist in hervorragender Form. Ich muss dranbleiben und auf meine Chance warten - und die wird kommen“, erklärte Klose, der erst zum zweiten Mal nach der EM 2004 einen Turnierbeginn auf der Bank erleben musste - und das ausgerechnet am 34. Geburtstag: „Der Trainer hat so entschieden.“
Bei Hummels lag Löw noch besser. Torhüter Manuel Neuer lobte den Dortmunder Double-Gewinner als Fels in der Defensive. „Gerade Mats hat in wichtigen Situationen den Ball mit dem Kopf geklärt. Er war sehr stabil.“ Erst am Vorabend bekam der Innenverteidiger seine Nominierung mitgeteilt, nachdem die Zeichen in der Vorbereitung eher ungünstig für ihn gestanden hatten. „Es war lange unklar“, erklärte Hummels, der aber von „Signalen“ im Training berichtete: „Es ist so etwas Unterschwelliges, werden mehr Aktionen gelobt oder kritisiert.“
Triumphgehabe versagte sich Hummels beim Abgang aus der Arena in Lwiw. Nach kritischen Berichten hatte er zunächst „kein Bedürfnis“ zu reden. „Defensiv ist es immer ein Verdienst der ganzen Mannschaft, wenn man wenig zulässt. Die Jungs haben das super gemacht“, sagte Deutschlands Bester. Vom Außenseiter zum EM-Abwehrchef - Wahnsinn!