Oranje geschockt: Dänen verderben die Partylaune
Charkow (dpa) - Mark van Bommel war fassungslos. Doch kaum wurde dem Kapitän der Niederländer die schmerzliche Niederlage so richtig bewusst, da galten seine ersten Gedanken schon dem kommenden Gegner.
„Jetzt müssen wir gegen Deutschland gewinnen“, sagte der 35 Jahre alte Mittelfeldspieler nach dem 0:1-Tiefschlag gegen Dänemark, der den EM-Mitfavoriten bereits im zweiten Gruppenspiel am Mittwoch in Charkow gegen die DFB-Elf unter immensen Druck setzt.
Gleichwohl wies Bondscoach Bert van Marwijk jeglichen Gedanken an ein frühes Scheitern beim Turnier in Polen und der Ukraine zurück. „Ich weigere mich, schon von einem Ausscheiden zu sprechen. Es macht keinen Sinn, jetzt negativ zu denken“, betonte er.
Dass der Erzrivale aus Deutschland seine Partie dank des Tores von Mario Gomez mit 1:0 gegen Portugal gewann, macht es für den Vizeweltmeister nicht leichter. Denn anders als für die Löw-Elf hat das Spiel für Oranje bereits Finalcharakter. Sollten die Dänen in Lwiw Portugal bezwingen, wäre das Vorrunden-Schicksal der Holländer bei einer Pleite gegen die DFB-Auswahl besiegelt. „Das wird kein leichtes Spiel. Aber unsere Aufgabe ist nun, Deutschland zu schlagen. Das weiß jeder Spieler“, betonte van Marwijk.
Für die bis dato von der eigenen Klasse überzeugten Profis und die Tausenden mit Campingwagen, Auto und Flugzeug nach Charkow gereisten Fans aus dem Nachbarland ist das frühe Aus eine Horrorvorstellung. Für den glücklichen Dänen-Trainer Morten Olsen hingegen ein durchaus denkbares Szenario, genauso wie der eigene Einzug ins Viertelfinale. „Wir haben jetzt eine gute Ausgangsbasis. Wenn wir unseren höchsten Level wieder erreichen und etwas Glück haben, können wir auch Portugal bezwingen“, befand der 62-Jährige bestens gelaunt.
In jeder Situation merkt man den vor 20 Jahren als Nachrücker zum EM-Titel gestürmten Dänen an, wie sie ihre Außenseiterrolle genießen. Schon vor der „fantastischen Teamleistung“ (Olsen) und dem ersten „richtigen“ Sieg gegen Holland seit 45 Jahren - 1992 bezwang Dänemark die Niederlande im EM-Halbfinale nach Elfmeterschießen - hatte der gewiefte Coach dem Gegner sämtliche Last des Gewinnen-Müssens auferlegt. „Ich möchte nicht in den holländischen Schuhen stecken. Sie müssen Europameister werden, alles andere wäre für sie eine Enttäuschung. Das kann ich von uns nicht sagen“, meinte Olsen.
Ausgerechnet Michael Krohn-Dehli, der acht Jahre lang in der Ehrendivision für RKC Waalwijk, Sparta Rotterdam und Ajax Amsterdam spielte und es aufgrund großer Verletzungsprobleme nur auf 64 Spiele brachte, erwies sich mit seinem Siegtreffer (24.) vor 35 923 Zuschauern im Metalist-Stadion als Oranje-Stimmungstöter. „Genugtuung“ verspüre er nicht, meinte der vom französischen Weltmeister Christian Karembeu offiziell zum Spieler des Spiels gekürte 29-Jährige. „Aber es ist schon schön. Ich habe eine holländische Freundin und noch viele Freunde dort. Sie werden sich für mich freuen“, meinte der Profi aus Bröndby.
Van Marwijk musste mit ansehen, wie die Offensiv-Power seines Teams fast im Minutentakt erfolglos verpuffte. Chancen zuhauf erspielte sich der Edelsturm mit Arjen Robben, Wesley Sneijder, Robin van Persie und Ibrahim Afellay. „Der Ball wollte einfach nicht rein“, jammerte van Marwijk, „das ist bitter, aber so ist es.“ Sein Team habe „viel mehr Energie und Kraft verbraucht“ als der defensiv und auf Konter bedachte Kontrahent. „Aber deswegen kann ich meiner Mannschaft, die so viel besser war und viele Chancen kreierte, doch nicht sagen, dass sie auch so spielen soll.“
Der 70 Minuten auf der Bank schmorende Bundesliga-Torschützenkönig Klaas-Jan Huntelaar konnte sich ein ungläubiges Schmunzeln nicht verkneifen, als sein Sturmkonkurrent van Persie in der 49. Minute in abermals aussichtsreicher Position sogar am Ball vorbeisäbelte - eine symptomatische Szene. Und selbst den einzigen Fehler von Dänen-Keeper Stephan Andersen, dessen Pass direkt bei Robben landete, konnte man nicht nutzen. Der Schuss des Bayern-Stürmers landete nur am Pfosten.