„Merkozy“ geben den Ton an: „Europa Gefallen tun“

Erst stimmten sie die Parteifreunde in Marseille ein, dann machten sie auch in Brüssel klar: Vertragsänderungen müssen her - auf dem Weg in die „Fiskalunion“.

Brüssel/Marseille (dpa) - Die Krise ist groß, die Erwartungen an die Krisenbewältiger auch. Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy marschierte am Donnerstagabend wortlos und ernst an den wartenden Journalisten vorbei ins Brüsseler Gipfelgebäude. Angela Merkel dagegen nahm sich am Eingang sogar 1 Minute und 50 Sekunden Zeit - um den Ton anzugeben.

„Der Euro hat an Glaubwürdigkeit verloren und diese Glaubwürdigkeit in den Euro muss wieder hergestellt werden“, sagte sie in die Mikrofone. Dazu seien Vertragsänderungen nötig. Und dieser „bedeutende Schritt in Richtung einer Stabilitätsunion, der Fiskalunion“ müsse getan werden.

Merkel und Sarkozy, immer öfter als „Merkozy“ apostrophiert, kamen aus Marseille, wo sie zuvor versucht hatten, die konservativen Parteifreunde auf den Gipfel einzustimmen. Sarkozy beschwor die Geschichte, 70 Jahre Krieg und 70 Jahre Frieden. Sein Fazit: „Wir haben keine Wahl.“ Der Ausweg aus der Krise: „Mehr und mehr Europa“, und zwar schnell.

Bei Merkel hörte es sich in Brüssel ganz ähnlich an - aber so, als spreche sie von einem Opfergang: „Die 17 Länder müssen das tun, um ganz Europa einen Gefallen zu tun.“ Ob die Vertragsänderungen dann mit „17 plus X“ oder doch mit allen 27 EU-Mitgliedern beschlossen werden könnten, das werde man dann schon sehen.

In Marseille hatte die Kanzlerin deutlich gemacht, dass beim EU-Gipfel zwar viel, aber beileibe nicht alles getan werden könne. „Nur ein wichtiger Schritt“ werde der Gipfel sein. Aber es könne nicht alles gerichtet werden, was über Jahrzehnte verbockt wurde. Merkel ist klar, dass die gemeinsame Führung von Deutschland und Frankreich nicht nur auf Begeisterung stößt. Zwar meinen Diplomaten, die beiden wichtigsten Länder im Euroraum müssten schon sagen, was sie wollten. Aber natürlich dürfe es nicht nach einer stahlharten Vorgabe aussehen, die gar nicht mehr zur Diskussion stehe.

Am Mittwoch hatten „Merkozy“ in einem Brief an den EU-Ratspräsidenten Herman Van Rompuy die Eckdaten formuliert. Vertragsänderung, Sanktionen, regelmäßige Gipfeltreffen einmal im Monat und Sanktionsmöglichkeiten für den Europäischen Gerichtshof EuGH für den Fall, dass die einzelnen Staaten ihre nationalen Schuldenbremsen nicht ausreichend fest anziehen. Kurz zuvor hatte Ratspräsident Herman Van Rompuy sein eigenes Konzept vorgelegt. Er musste den Medien entnehmen, dass ihm in Deutschland „Tricksereien“ vorgeworfen wurden, weil er einen Ausweg aus der Krise mit nur geringen Vertragsänderungen sucht.

Am Ende könnte es beides geben: schnelle Schritte durch eine Änderung des Zusatzprotokolls des Lissabon-Vertrags und die langwierige Vertragsreform mit Zustimmung aller. In Marseille wurde auch der „Deal“ ganz deutlich, der den Gipfel in Brüssel retten könnte: Merkel bekommt ihre Vertragsänderungen, dafür wird die Rolle von ESM-Rettungsschirm und Europäischer Zentralbank EZB neu definiert - wogegen sich die Deutschen bisher standhaft geweigert hatten. Denn dann gäbe es doch so etwas wie die Haftungsgemeinschaft und eine Banklizenz für den ESM. Die Rollenverteilung zwischen Deutschland und Frankreich dabei beschrieb ein Teilnehmer der Gespräche in Marseille so: „Sarkozy fordert, und Merkel guckt weg.“