Analyse: EZB lässt Eurostaaten zappeln
Frankfurt/Main (dpa) - Die Eurozone wackelt, doch „Super-Mario“ lässt Europas Politik weiter zappeln. Der neue Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) hat zwar theoretisch alle Instrumente in der Hand, die Staatsschuldenkrise zu beenden.
Dafür könnte Mario Draghi die Notenpresse anwerfen und nach dem Vorbild etwa der US-Notenbank Fed in großem Stil Anleihen kaufen. Doch das lehnt der Italiener weiterhin strikt ab.
„Wir haben einen Vertrag, und der besagt, dass unser Primärauftrag die Preisstabilität ist“, sagte Draghi am Donnerstag in Frankfurt. Die Finanzierung von Staatsschulden sei hingegen aus gutem Grund verboten. Die viel beschriebene „Bazooka“ der EZB wird es also weiterhin nicht geben - jedenfalls nicht ohne Gegenleistung der Politik.
Mit ihren Anleihekäufen bewegen sich Europas Währungshüter schon jetzt auf rechtlich dünnem Eis. Doch viele Ökonomen sind überzeugt, dass allein die EZB die Krise schnell in den Griff kriegen kann: Die Notenbank müsse in weitaus größerem Umfang als bisher Bonds von Staaten kaufen, die sich an den Märkten nur sehr teuer frisches Geld besorgen können. „Aus unserer Sicht hat die EZB keine andere Wahl, als die Schulden von Italien, Spanien und möglicherweise Belgien zu monetarisieren“, sagt Andrew Bosomworth vom Anleiheinvestor Pimco.
Keine Frage: Der Druck auf den Euro-Gipfel, zu dem sich die Staats- und Regierungschef am Donnerstag versammeln, ist gigantisch. Die Finanzmärkte erwarten endlich einen überzeugenden Beschluss, um die Haushalte in Ordnung zu bringen. Gelingt dies nicht, drohen die Kursaufschläge am Anleihenmarkt weiter in die Höhe zu schnellen, und die Börsen könnten ihre jüngsten Gewinne schnell wieder abgeben.
Immerhin hatte Draghi Anfang Dezember im Europaparlament ein stärkeres Engagement der Notenbank in Aussicht gestellt, wenn sich die Politik auf einen strengeren Haushaltspakt zur Stabilisierung der Märkte einigt und den Weg zur Fiskalunion ebnet. „Das Wichtigste ist es, das Vertrauen wieder zu gewinnen. Danach können andere Elemente folgen, aber die Reihenfolge ist entscheidend“, sagte der Italiener. Nur ein Gipfel-Erfolg könne wieder Vertrauen schaffen.
„Wir interpretieren die Aussagen von Draghi als Hinweis auf bevorstehende aggressivere Interventionen seitens der EZB, vorausgesetzt, dass die Regierungen die erforderlichen Maßnahmen zu einer stärkeren Integration ihrer Haushaltspolitik vorlegen“, schrieb UniCredit-Ökonom Marco Valli.
Als Versprechen auf unbegrenzte Anleihekäufe um jeden Preis will Draghi seine Aussagen aber nicht verstanden wissen. Es gebe keine zusätzlichen massiven Bondkäufe, betonte Draghi am Donnerstag: „Das Programm läuft weder ewig, noch ist es unbegrenzt.“
Schon seit Mai 2010 kauft die EZB Staatsanleihen am Finanzmarkt - also nicht direkt bei den Ländern. Zunächst griechische, inzwischen vor allem italienische und spanische. Aktuell hat sie Papiere im Wert von 207 Milliarden Euro in den Büchern. Offiziell dient das Programm dazu, die Wirkung der EZB-Geldpolitik zu garantieren.
Ob die Anleihenkäufe erfolgreich sind, ist allerdings umstritten. Der Chefvolkswirt der Berenberg Bank, Holger Schmieding, spottet: „Die aktuellen EZB-Anleihenkäufe sind nichts weiter als eine Einladung an panische Investoren, ihre Papiere an die EZB zu verkaufen, solange das möglich ist.“ Das reiche nicht aus, um das Vertrauen der Anleger zurückzugewinnen. Stattdessen müsse sich die Notenbank klar dazu bekennen, die Anleihezinsen mit aller Macht in einem verkraftbaren Rahmen zu halten.
Auch wenn Draghi das bisher ablehnt: Ökonomen schließen eine Kehrtwende der Währungshüter nicht aus. Als Voraussetzung gilt, dass die EU-Politiker dem deutsch-französischen Plan für schärfere Stabilitätsregeln und automatische Sanktionen gegen Schuldensünder zustimmen. Die Zeit drängt, auch weil die Ratingagentur Standard & Poor's mit der Herabstufung von Deutschland und 14 weiteren Euroländern droht. Eine schlechtere Kreditwürdigkeit würde die Staatsfinanzierung erschweren und die Krise zusätzlich verschärfen.