EU: Angedrohte Abstufung von S&P „ungerechtfertigt“
London/Brüssel (dpa) - Die EU-Kommission hält die von der US-Ratingagentur Standard & Poor's (S&P) angedrohte Herabstufung der Kreditwürdigkeit der gesamten EU für ungerechtfertigt.
Die Begründung von S&P dafür, mehrere Euro-Länder unter verschärfte Beobachtung zu stellen, könne nicht auf die EU selbst ausgedehnt werden, sagte der Sprecher von EU-Währungskommissar Olli Rehn am Donnerstag in Brüssel.
Die EU habe ihren eigenen Haushalt, der nicht ins Minus geraten könne und für den keine Schulden aufgenommen würden, erklärte der Sprecher. Anders als ihre Mitgliedsstaaten könne sich die EU daher nicht verschulden. Das Budget bestehe aus den Beiträgen der 27 EU-Mitgliedsstaaten sowie eigenen Einnahmen. „Daher sollte die Benotung der EU dem Einzelfall gerecht werden und das spezielle Statut des EU-Budgets ohne Defizit oder Schulden berücksichtigen“, sagte der Sprecher. Eine niedrigere Note macht es für die EU teurer, Geld am Finanzmarkt aufzunehmen.
Zwei Drittel des EU-Haushalts werden aus Überweisungen der 27 Mitgliedsstaaten je nach ihrem Bruttonationaleinkommen finanziert. Der Rest kommt aus Steuern und Zöllen. Größter Geldgeber der Union ist Deutschland: Fast 17 Prozent des Budgets kommen von dort. 2012 sollen 129 Milliarden Euro ausgegeben werden.
S&P hatte den Rundumschlag in Richtung Eurozone auf die gesamte Europäische Union (EU) ausgedehnt. Am späten Mittwochabend setzte die Agentur die langfristige Kreditbewertung der EU mit der Bestnote „AAA“ auf „CreditWatch with negative implications“. Die Union steht somit unter verschärfter Beobachtung und könnte eine Bonitätsstufe abgesenkt werden.
Experten hatten diesen Schritt bereits erwartet, nachdem S&P am Montag die Ratings für 15 der 17 Euro-Länder und damit auch für die sechs Staaten mit der Top-Kreditwürdigkeit „AAA“ unter verschärfte Beobachtung gestellt hatte.
Auch etliche europäische Banken - darunter die Deutsche Bank und die Commerzbank - setzte S&P am Mittwochabend auf seine CreditWatch-Beobachtungsliste. In dieser Kategorie führt die Agentur Kandidaten, die in den nächsten 90 Tagen herabgestuft werden könnten. S&P begründet diesen Schritt im Fall der EU mit erhöhten politischen, finanziellen und monetären Risiken, die wegen der Schuldenkrise von der Eurozone ausgehen. Die Agentur will ihre Entscheidung von den Ergebnissen des EU-Gipfels abhängig machen.
Am Abend sollten die Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Staaten in Brüssel zu einem Krisen-Gipfel zusammenkommen. Bundeskanzlerin Angela Merkel wollte dabei gemeinsam mit Frankreich auf Änderungen der EU-Verträge bestehen, mit denen Schuldensünder zu mehr Haushaltsdisziplin gebracht werden sollen.