Muslime, draußen bleiben: Wie weit geht Donald Trump?

Washington (dpa) - Seinen jüngsten Sprengsatz hat Donald John Trump mit Bedacht gezündet. Er will keine Muslime mehr ins Land lassen, solange nicht klar sei, woher ihr Hass auf Amerika komme.

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Nun fliegen die Fetzen. Und „The Donald“ hat das, was ihn nährt und stärkt: maximale Aufmerksamkeit. Ein Bombenerfolg. Die USA: das Land, das von Einwanderern gegründet wurde, die wegen ihres Glaubens geflohen sind. Die Freiheit der Religion: in der Bill Of Rights, in ihrer Verfassung, verankert. Vor diesem Hintergrund bekommt Trumps Forderung eine ganz eigene Thermik.

Rechtlich ist sein Vorschlag chancenlos. Die „Washington Post“ lässt eine ganze Reihe von Staatsrechtlern und Juristen begründen, woran er zerschellen müsste: Verträge, Verfassung, geltendes Recht.

Trump dürfte das gewusst haben, ebenso wie er wohl die Reaktionen der republikanischen Mitbewerber einkalkuliert hat. Die sind einhellig ablehnend, von heller Empörung (Jeb Bush) bis zu eher knapper Distanzierung (Ted Cruz). Trump spielt das in die Karten.

Der konservative „Washington Examiner“: Tagelang werde nun über Trump berichtet werden, und all seine Kritiker - auch aus den eigenen Reihen - würde dann klingen wie Barack Obama oder Hillary Clinton. „Was soll daran schlecht sein?“ Dass Trump sich auf die windige Umfrage eines extrem islamfeindlichen Instituts beruft („Washington Post“), spielt für das Echo keine Rolle.

Alle haben Donald Trump unterschätzt. Ein 2015er Sommertheater werde er sein, ein Clown, ein Buffo, Pop-Phänomen und Geck, blond herausgeföhnt und dröhnend vor Leere. In den vergangenen Monaten hat der Milliardär es sich wiederholt und gründlich mit vielen, vielen Gruppen verscherzt: Frauen, Ausländer, Journalisten.

Nach jeder Attacke wurde er stärker, zogen seine Umfragewerte an.

In Trump, schrieb Paul Waldman in „The Week“, finde die dunkelste Verzweiflung der Konservativen ihre perfekte Projektion. Endlich jemand, an den man glauben könne. So ganz anders als der kühle, professorale Barack Obama. Ein echter Anführer, roh und emotional. Perfekt spielt Trump auf der Klaviatur der Ängste. Kühl nutzt er die hochfahrenden Sorgen nach dem mutmaßlichen Anschlag zweier Muslime in San Bernardino, die 14 Menschen erschossen.

Trump ist der endgültige Gegenentwurf zum etablierten Politiker. Als Außenseiter kann er Dinge sagen, die sich kein Amtierender erlauben kann. Klug hat der „Atlantic“ darauf hingewiesen, dass Trump echte Fans hat und keine Anhänger. Wie in einem Stadion fühlten sie sich wohl bei ihm, warm geborgen in seiner Wut und seinem Furor. Endlich spreche mal jemand aus, was eigentlich los sei, niemand traue sich das sonst. Und bestens unterhalten fühle man sich auch noch.

„Klar kann er nicht alles machen, was er ankündigt. Aber bei Gott, er sagt es wenigstens“ - so zitiert „Politico“ einen dieser Fans. Der Hass auf „Washington“ ist gewaltig. „Washington“ als Chiffre für Stillstand, für Abstiegsängste, für zu viel fremdes Geld im Wahlkampf und auch schlicht zu viel liberale Veränderung im Land (Schwulenehe, Liberalisierung von Marihuana).

Der Erfolg des Donald Trump ist auch die Geschichte der weißen Mittel- und Unterschichten. Sie fühlen sich abgeschnitten vom tatsächlichen wirtschaftlichen Erfolg der USA. Sie sehen, dass die Weißen in den USA gegenüber Latinos, Schwarzen und Asiaten schon bald in der Minderheit sind. Kühl verwies die „New York Times“ darauf: Je kleiner das Einkommen und je weniger gebildet, desto eher pro Trump. Im Land der extremer werdenden Einkommensunterschiede ein wichtiger Punkt.

Auf diesem Boden wächst Trumps Kampagne „Make America great again!“. Klassisches „Negative Campaigning“, die USA als „verkrüppelter Riese“, für Polit-Strategen eher ein Alptraum.

Traditionelle Medien braucht Trump nicht. Im Gegenteil. Journalisten bezeichnet er als „Abschaum“. Werden ihm live Lügen nachgewiesen, wie von den tapferen George Stephanopoulos (ABC) oder Chuck Todd (NBC), behauptet Trump stumpf weiter das Gegenteil. So bleibt bei den Fans hängen, dass Muslime nach den Anschlägen des 11. September 2001 vor Freude in Brooklyn auf Dächern getanzt hätten, obwohl alle Quellen sagen, dass das nicht stimmt. Die Forderung, ihnen gleich ganz die Einreise zu verbieten, ist praktisch nur eine Verlängerung.

Trump nutzt Twitter wie kein zweiter Kandidat. Seine Kampagnen und Slogans entfalten eine so spontane Wucht, Breite, Sprunghaftigkeit und Unberechenbarkeit, dass dagegen die sorgfältigen Analysen der „Washington Post“, die Trump immer wieder haarfein auseinandernimmt, ein bisschen wirken wie leichte Säbel gegen Laserwaffen.

Trump agiere weder zufällig noch spontan, schreibt McKay Coppins, politischer Reporter von Buzfeed, in seinem ausgezeichneten Buch „The Wilderness“. Er weist nach, wie viele Jahre lang Trump seine Kampagne vorbereitet hat. Welche feinmaschige Netzwerke rechter Sender und Blogs er gewoben, wie geschickt er sein Geld eingesetzt hat.

Präsident wird Trump nicht werden, das ist rechnerisch wohl auszuschließen, wohl auch nur schwerlich Kandidat der Republikaner im Sommer 2016. Im „New Yorker“ aber stellt Evan Osnos eine nachdenkliche Frage. Man könne Trumps Ausfälle vielleicht abtun als verzweifelte Versuche, auf den letzten Metern vor den ersten Vorwahlen Umfragen zu pushen: „Aber was sagt das eigentlich aus über uns als Amerikaner, dass es überhaupt so weit gekommen ist?“